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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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hatte sie über Gebühr angeödet, und gelangweilte Männer waren weniger wachsam. Nirgends brannte mehr ein Licht. Nicht einmal Kerzen im Mannschaftsquartier. Kelly suchte mit dem Feldstecher noch einmal langsam und sorgfältig das ganze Lager ab. Am Fenster der Offiziersunterkunft stand eine Gestalt, ein Mann, der in den Regen hinaussah - das war doch der Russe? Oh, das ist also dein Schlafzimmer? Toll. Der erste Schuß von Grenadier drei - Corporal Mendez, nicht wahr? - ist für dieses Fenster bestimmt. Gerösteter Russe.
    Bringen wir es hinter uns. Ich habe eine Dusche nötig. Mein Gott, ob die wohl noch etwas von dem Jack Daniels übrig haben? Dienst war Dienst, und Schnaps war Schnaps.
    Die Spannung stieg. Es lag nicht an der Gefahr. Kelly hielt sich nicht weiter für gefährdet. Das gefährliche war das Einschleusen gewesen. Nun war alles von den Navyfliegern abhängig und dann von den Marines, Sein Beitrag war beinahe geleistet.
    »Eröffnen Sie das Feuer«, befahl der Kapitän.
    Die Newport News hatte erst vor wenigen Augenblicken ihre Radargeräte eingeschaltet. Der Navigator befand sich in der Gefechtszentrale und half der Artillerieabteilung, durch Radarpeilung auf markante Geländepunkte die genaue Position des Kreuzers festzulegen. Darauf wurde äußerste Sorgfalt verwendet, aber das durfte man bei diesem Auftrag ja wohl auch verlangen. Nun konnten alle mit Hilfe der Navigations- und Gefechtsradare ihre Position bis auf eine Stelle hinterm Komma ausrechnen.
    Die ersten Geschosse wurden vom Backbordgeschütz abgefeuert. Das scharfe Bellen des 127-mm-Zwillingsgeschützes strapazierte das Trommelfell aber zugleich stellte sich damit etwas merkwürdig Schönes ein. Mit jedem Schuß erzeugten diese Kanonen einen gelben Feuerring. Das war eine Eigenheit nur dieses Waffentyps. Ein jeder Ring sah wie eine gelbe Schlange aus, die ihrem eigenen Schwanz nachjagt und in den wenigen Millisekunden ihres Lebens aufzuckt.
    Gleich darauf verschwand er wieder. In sechstausend Metern Distanz zündeten die ersten Leuchtkugeln und verströmten das gleiche metallische Gelb, das vor ein paar Sekunden noch aus der Geschützlafette ausgetreten war. Die feuchte, grüne Landschaft Nordvietnams wurde in orangefarbenes Licht getaucht.
    »Sieht wie eine 57-Millimeter-Stellung aus. Ich kann sogar die Besatzung sehen.« Der Entfernungsmesser auf Punkt l war bereits entsprechend eingestellt. Bei dieser Beleuchtung ging es natürlich leichter. Master Chief Skelley tippte die Entfernung mit bemerkenswertem Feingefühl ein. Sie wurde augenblicklich an die Zentrale durchgegeben. Zehn Sekunden später donnerten acht Geschütze los. Nach weiteren fünfzehn Sekunden verschwand die Flakstellung in einer Wolke aus Staub und Feuer.
    »Erste Salve im Ziel. Ziel Alpha zerstört.« Der Master Chief empfing von unten den Befehl, das nächste Ziel anzupeilen. Wie der Kapitän würde er sich bald pensionieren lassen. Vielleicht konnten sie gemeinsam ein Waffengeschäft eröffnen.
    Es klang wie ferner Donner, aber doch nicht ganz so. Überraschenderweise kam von dort unten keine Reaktion. Durch den Feldstecher konnte er sehen, daß ein paar Köpfe sich umwandten. Vielleicht fielen auch einige Bemerkungen. Aber sonst nichts. Schließlich befand sich das Land im Kriegszustand, und unerfreuliche Geräusche waren hier normal, besonders die, die wie ferner Donner klangen. Eindeutig zu weit weg, um sich Sorgen zu machen. Nicht einmal ein Aufblitzen war bei diesem Wetter zu sehen. Kelly hatte erwartet, daß ein oder zwei Offiziere heraustreten und sich umsehen würden. Er hätte das an ihrer Stelle getan - wahrscheinlich. Sie aber nicht.
    Die letzten neunzig Minuten waren angebrochen.
    Die Marines hatten wenig Ausrüstung dabei, als sie nach achtern gingen. Einige Matrosen hatten sich als Zuschauer eingefunden. Albie und Irvin zählten ihre Männer ab, als diese auf das Flugdeck hinaustraten, und teilten sie den Hubschraubern zu.
    Die letzten Seeleute, die sich aufreihten, waren Maxwell und Podulski. Beide trugen ihre ältesten und abgetragensten Khakiuniformen. In diesem sommerlich-tropischen Aufzug hatten sie damals auf See die Kommandos erteilt und verbanden damit gute Erinnerungen und Glück. Selbst Admiräle waren abergläubisch. Zum erstenmal sahen die Marines, daß der blasse Admiral - wie sie ihn insgeheim nannten - die Ehrenmedaille hatte. Das Ordensband wurde mit anerkennenden Blicken und respektvollem Nicken kommentiert, was der Betreffende mit

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