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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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sichere Gefangenenlager zufahren. Verdammt!
    Selten hatte sich Konzentration negativ für Kelly ausgewirkt, aber diesmal war es der Fall. Das Geräusch des näher kommenden Autos, das auf der schlammigen Straße dahinschlidderte, war den normalen Lauten der Umgebung ein bißchen zu ähnlich, und bis Kelly den Unterschied bemerkt hatte, war es schon zu spät. Als der Wagen um die Kurve kam, stand er mitten auf der Straße wie ein vom Scheinwerfer geblendeter Hirsch, und der Fahrer konnte ihn gar nicht übersehen. Der Rest ergab sich ganz automatisch.
    Kelly riß den Karabiner hoch und feuerte eine kurze Salve auf den Fahrersitz. Der Wagen brach überhaupt nicht aus, und so schickte er einen zweiten Feuerstoß auf den Beifahrersitz. Da kam das Auto vom Weg ab und knallte frontal gegen einen Baum. Das Ganze mußte sich in drei Sekunden abgespielt haben, und nach einem entsetzlich langen Aussetzer begann Kellys Herz wieder zu schlagen. Er rannte zum Auto. Wen hatte er getötet?
    Der Fahrer war durch die Windschutzscheibe geflogen; er hatte zwei Kugeln im Hirn. Kelly riß die Beifahrerrür auf. Die Person dort war - der Major! Auch am Kopf getroffen. Die Schüsse hatten ihn an der Seite erwischt, und obwohl die Schädeldecke rechts aufgerissen war, zitterte der Körper noch. Kelly zog ihn aus dem Fahrzeug und kniete sich hin, um ihn zu durchsuchen, als er ein Stöhnen vom Rücksitz hörte. Er beugte sich rasch ins Wageninnere und entdeckte am Boden noch einen Mann - den Russen! Kelly zog auch ihn heraus. Der Mann hielt seinen Rucksack umklammert.
    Auch hier lief alles so automatisch ab wie das Schießen. Kelly schlug den Russen mit dem Gewehrkolben bewußtlos, dann wandte er sich schnell wieder dem Major zu, um dessen Uniform nach Geheimdienstunterlagen zu durchsuchen. Er stopfte sich alle Dokumente und Papiere in die Taschen. Der Vietnamese sah ihn an, ein Auge bewegte sich noch.
    »Das Leben ist schon ein gemeines Biest, nicht wahr?« sagte Kelly kaltblütig, als die Augen leblos wurden.
    »Was zum Teufel soll ich mit dir anstellen?« fragte Kelly, dem Körper des Russen zugewandt. »Du bist doch der, der unseren Jungs so zugesetzt hat, oder nicht?« Er kniete sich hin, öffnete den Rucksack und fand ganze Bündel von Papier, womit die Frage beantwortet war - denn der sowjetische Oberst selbst war dazu absolut nicht in der Lage.
    Denk schnell, John - der Hubschrauber ist nicht mehr weit weg.
    »Dort ist das Blinksignal«, sagte der Copilot.
    »Dann aber dalli.« Der Pilot holte das letzte aus dem Sikorsky heraus. Zweihundert Meter vor der Lichtung drosselte er die Rotoren, und die Steigungshaltung von 45 Grad bremste den Geradeausflug rasch ab. Es war ein einwandfreies Manöver, denn der Hubschrauber blieb ganz nahe bei dem blinkenden Infrarotstrahler in der Schwebe, einen Meter über dem Boden. Der Navy-Commander mußte gegen alle möglichen Kräfte ankämpfen, um den vom Wind gebeutelten Hubschrauber ruhig zu halten. Erst langsam drang etwas in sein Bewußtsein, das seine Augen schon längst erfaßt hatten. Er hatte gesehen, wie der Rotorluftstrom seinen Überlebenden umwarf, aber...
    »Hab ich da draußen wirklich zwei Leute gesehen?« fragte er über Bordfunk.
    »Los, los, los!« sagte eine andere Stimme auf der Bordfrequenz. »Wir haben alles an Bord, also los!«
    »Jetzt aber raus aus dem Schlamassel!« Der Pilot stellte alles auf Steigflug, trat aufs Pedal für das Seitenruder, senkte die Nase des Hubschraubers und steuerte so mit wachsender Geschwindigkeit auf den Fluß zu. Sollte da nicht bloß eine Person gewesen sein? Er verscheuchte den Gedanken. Jetzt mußte er fliegen, und es lagen fünfzig verzwickte Kilometer bis zum sicheren Wasser vor ihnen.
    »Wer zum Teufel ist das?« fragte Irvin.
    »Ein Anhalter«, antwortete Kelly im Motorengedröhne. Er schüttelte den Kopf. Erklärungen würden jetzt zu lange dauern. Irvin verstand. Er bot ihm seine Feldflasche an. Kelly trank sie in einem Zug leer. Dann setzte das Zittern ein. Vor der Hubschrauberbesatzung und fünf Marines zitterte Kelly, als wäre er in der Arktis, schlang die Arme um sich, ließ aber trotzdem seine Waffe nicht los, bis Irvin sie ihm wegnahm und abstellte. Der Sergeant der Artillerie sah sofort, daß aus ihr gefeuert worden war. Er würde später noch erfahren, warum und auf wen. Die Schützen an den Türen behielten das Flußtal im Auge, während ihr Fluggerät kaum sechzig Meter über dessen gewundenem Lauf seewärts

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