01 - Gnadenlos
würde sicherlich eine Bugwelle aufwühlen, die andere ziemlich ins Schaukeln brachte. Das war schlechtes seemännisches Benehmen, was Kellys sicherem Augenmerk nie entging. Es war einfach zu leicht - ach, es war nicht mal schwierig genug, um »leicht« zu sein. Da brauchte sich einer nur ein Boot zu kaufen, dann hatte er das Recht, damit herumzuschippern. Keine Prüfungen, überhaupt nichts. Kelly entdeckte Rosens 7X50-Fernrohr und richtete es auf das Boot, das gefährlich nahe herankam. Drei Arschlöcher, von denen einer als ironischen Gruß eine Dose Bier hochhielt.
»Troll dich, Schwachkopf«, flüsterte Kelly vor sich hin. Blödmänner im Boot, die Bier soffen, wahrscheinlich schon mit leichter Schlagseite, wo es noch nicht einmal elf Uhr war. Er sah sie sich gut an und war ziemlich erleichtert, als sie in immerhin etwa dreißig Metern Entfernung vorbeifuhren. Er entzifferte den Namen: Henrys Achte. Wenn er den Namenszug wiedersah, sagte sich Kelly, würde er daran denken, sich fernzuhalten.
»Ich hab einen!« rief Sarah.
»Aufgepaßt, von Steuerbord rollt eine große Heckwelle an!« Gleich darauf war sie da und warf die große Hatteras links wie rechts um zwanzig Grad aus der Vertikalen.
»Das verstehe ich unter schlechtem seemännischen Benehmen«, sagte Kelly mit Blick auf die anderen drei.
»Aye aye!« rief Sam zurück.
»Ich hab ihn immer noch«, sagte Sarah. Sie holte den Fisch ein, und zwar mit vollendetem Geschick, wie Kelly nicht entging. »Und was für einen!«
Sam holte das Netz und beugte sich über die Bordwand. Einen Augenblick später richtete er sich wieder auf. Im Netz zappelte ein Klippenbarsch von vielleicht zwölf oder vierzehn Pfund. Er leerte es in einen mit Wasser gefüllten Behälter, in dem der Fisch auf den Tod warten konnte. Es erschien Kelly grausam, aber es war nur ein Fisch, und er hatte schon Schlimmeres gesehen.
Pam fing zu quieksen an, als sich kurz darauf später ihre Schnur straffte. Sarah steckte ihre Rute in die Halterung und begann ihr zu erklären, wie sie sich weiter verhalten mußte. Kelly sah zu. Die Freundschaft zwischen Pam und Sarah war ebenso bemerkenswert wie die zwischen ihm und dem Mädchen. Womöglich nahm Sarah die Stelle der Mutter ein, die es an Zuneigung hatte fehlen lassen, oder was immer Pam an ihrer Mutter gefehlt hatte. Egal was es war, Pam ging bereitwillig auf die Ratschläge ihrer neuen Freundin ein. Kelly beobachtete die Szene mit einem Lächeln, das Sam auffing und erwiderte. Für Pam war das alles neu, und sie stolperte zweimal, als sie den Fisch einholte. Wieder ging ihr Sam mit dem Netz zur Hand und förderte diesmal einen achtpfündigen Blaufisch zutage.
»Schmeiß ihn wieder rein«, riet Kelly. »Die schmecken nach gar nichts!«
Sarah sah auf. »Ihren ersten Fisch wieder zurückwerfen? Sag mal, bist du ein Nazi oder was? Hast du irgendwo in deinem Bunker vielleicht eine Zitrone, John?«
»Ja, warum?«
»Weil ich dir zeigen werde, was sich mit einem Blaufisch alles anstellen läßt, deshalb.« Sie flüsterte Pam etwas zu, das sie auflachen ließ. Der Blaufisch kam in denselben Behälter, und Kelly fragte sich, wie er sich wohl mit dem Klippenbarsch vertragen würde.
Memorial Day, dachte Dutch Maxwell, als er am Heldenfriedhof Arlington aus seinem Dienstwagen stieg. Für viele bedeutete das nicht mehr als ein 500-Meilen-Rennen in Indianapolis, ein freier Tag oder der traditionelle Beginn der Badesaison, wie sich am geringen Autoverkehr in Washington ablesen ließ. Doch für ihn galt das nicht und für seine Kollegen ebensowenig. Es war ihr Tag, eine Gelegenheit, der gefallenen Kameraden zu gedenken, während andere sich mit Dingen sowohl mehr wie weniger persönlicher Art beschäftigten. Admiral Podulski stieg mit ihm aus, und die beiden gingen langsam und nicht im Gleichschritt, wie bei Admirälen üblich. Casimirs Sohn, Lieutenant Stanislas Podulski, lag nicht hier, und das würde er wahrscheinlich auch nie. Seine A-4 war von einer Boden-Luft-Rakete vom Himmel geputzt worden, wie aus den Berichten zu entnehmen gewesen war, beinahe ein Volltreffer. Der junge Pilot war zu abgelenkt gewesen, um etwas zu bemerken, vielleicht sogar bis zur allerletzten Sekunde, als seine Stimme über die Sicherheitsfrequenz ihr letztes Schimpfwort ausgestoßen hatte. Vielleicht war auch eine der Bomben, die er dabeigehabt hatte, aus reiner Sympathie mit hochgegangen. Jedenfalls hatte sich der kleine Kampfbomber in einer ölig schwarzgelben Wolke
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