01 - Gnadenlos
lassen... wie viele? Zwei? Vielleicht drei? Er hätte das feststellen müssen, sagte sich Kelly, erinnerte sich dann aber, daß dazu keine Zeit gewesen war.
Wahrscheinlich nicht, aber lassen wir uns besser nicht auf Vermutungen ein, erwiderte sein Gehirn.
Seine .45er war im Nahkampf so tödlich wie ein Gewehr. Während er links abbog, pries er im stillen seine wöchentlichen Schießübungen. Wenn es soweit kommt, laß sie nah ran und such dir schnell einen Hinterhalt. Kelly wußte alles Notwendige über Hinterhalte. Laß sie auflaufen, und dann putz sie weg.
Der Roadrunner war nun zehn Meter hinter ihnen, und sein Fahrer fragte sich, was wohl als nächstes kommen würde.
Das ist der schwierige Teil, nicht wahr? dachte Kelly für den Verfolger. Du kannst so nah ran, wie du willst, aber der andere ist immer noch von einer Tonne Metall umgeben. Was wirst du tun? Vielleicht rammen?
Nein, der andere Fahrer war kein totaler Dummkopf. Unter der hinteren Stoßstange ragte die Anhängerkupplung hervor, und die würde sich direkt in den Kühler bohren, wenn man den Scout zu rammen versuchte. Jammerschade.
Der Roadrunner bewegte sich nach rechts. Kelly sah, wie seine Scheinwerfer aufzuckten, als der Fahrer das letzte aus seinem Achtzylinder herausholte, aber er war ja glücklicherweise noch vorn. Kelly riß das Lenkrad nach rechts, um abzublocken. Sofort wurde ihm klar, daß der andere Fahrer es nicht über sich bringen würde, seinen Wagen zu beschädigen. Er hörte Reifen quietschen, als der Roadrunner abbremste, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Wir wollen doch keinen Kratzer in so 'nen schönen roten Lack bekommen, nicht wahr? Das ist zur Abwechslung mal eine gute Nachricht! Dann zog der Roadrunner nach links, aber Kelly wehrte auch dieses Manöver ab. Auch nicht viel anders, als wenn man mit einem anderen Segelboot um die Wette lavierte, stellte er fest.
»Kelly, was ist los?« fragte Pam mit brüchiger Stimme.
Seine Erwiderung erfolgte in dem gleichen ruhigen Tonfall, den er schon in den letzten Minuten angeschlagen hatte. »Was hier los ist? Na, ich würde sagen, die sind nicht besonders schlau.«
»Das ist Billys Wagen - er fährt gern Rennen.«
»Billy, ja? Nun, Billy hängt ein bißchen zu sehr an seinem Wagen. Wenn du jemandem weh tun willst, dann mußt du bereit sein... « Bloß um die anderen zu überraschen, stieg Kelly auf die Bremse. Die Kühlerhaube des Scout senkte sich und gab Billy einen guten Blick auf die verchromte Anhängerkupplung frei. Dann beschleunigte Kelly wieder und beobachtete, wie der Roadrunner darauf reagierte. Aha, er will mir dicht auf den Fersen bleiben, aber ich kann ihn ganz leicht einschüchtern, und das wird ihm gar nicht gefallen. Der ist doch bestimmt ein ziemlich stolzer kleiner Mistkerl.
Da, so mach ich das.
Kelly entschied sich, seinen Gegner einfach nur unschädlich zu machen. Wozu die Dinge unnötig verkomplizieren? Dabei war ihm bewußt, daß er sehr sorgfältig und überaus gerissen vorgehen mußte. Im Geiste schätzte er bereits Winkel und Entfernungen ab.
Kelly stieg beim Abbiegen etwas zu stark aufs Gas. Das ließ ihn fast einen Dreher fabrizieren, aber das war so vorgesehen, und er fing den Wagen gerade so stümperhaft ab, daß sein Fahrstil auf Billy schludrig wirkte, der zweifellos von seinem eigenen fahrerischen Können schwer beeindruckt war. Der Roadrunner nützte seine Wendigkeit und seine breiten Reifen aus, um aufzuschließen und sich an Kellys Steuerbordseite zu halten. Eine gezielte Rempelei konnte den Scout jetzt völlig aus der Kontrolle bringen. Der Roadrunner hatte die Oberhand, oder wenigstens dachte das sein Fahrer.
Okay...
Kelly konnte jetzt nicht rechts abbiegen, den Weg hatte Billy ihm abgeschnitten. Also bog er scharf nach links in eine Straße, die durch einen breiten Streifen mit leeren Grundstücken führte. Da würde wohl eine Autobahn gebaut werden. Die Häuser waren abgerissen und die Keller mit Schutt aufgefüllt worden, den der nächtliche Regen in Schlamm verwandelt hatte.
Kelly warf dem Roadrunner über die Schulter einen Blick zu. Aha! Das Beifahrerfenster wurde heruntergekurbelt. Daß sie eine Knarre hatten, war also schon mal sicher. Jetzt wird's allmählich eng, Kelly... Aber dem, erkannte er im selben Moment, konnte abgeholfen werden. Kelly ließ sie sein Gesicht sehen, das auf den Roadrunner starrte, mit weit offenem Mund und unverhohlener Angst. Er stieg auf die Bremse und zog scharf nach rechts. Der Scout hüpfte
Weitere Kostenlose Bücher