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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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bei der Zusammenarbeit mit Lynley eine Menge lernen.« Noch immer ruhte sein aufmerksamer Blick abschätzend auf ihrem Gesicht. »Versuchen Sie, so bald wie möglich zurückzusein.«
    Er wandte sich wieder den Papieren auf seinem Schreibtisch zu. Sie war entlassen.
    Barbara schaute erneut in den Spiegel, kramte ihren Kamm aus der Rocktasche. Lynley. Sie zog den Plastikkamm erbarmungslos durch ihr Haar, so fest, daß die Zinken ihre Kopfhaut aufkratzten, und war fast dankbar für den Schmerz. Lynley! Es war nur allzu offensichtlich, warum man sie zurückgeholt hatte. Man wollte Lynley den Fall anvertrauen. Aber man brauchte auch eine Frau. Und jeder in der Victoria Street wußte, daß es in der ganzen Kriminalpolizei keine Beamtin gab, die vor Lynley sicher war. Er hatte sich durch sämtliche Abteilungen durchgeschlafen, unersättlich und unermüdlich, wenn man dem Getuschel glauben durfte. Der reinste Deckhengst. Zornig schob sie den Kamm wieder in ihre Tasche.
    Und wie, fragte sie ihr Spiegelbild, fühlt man sich, wenn man die einzige Frau ist, die vor dem nimmersatten Lynley sicher ist? Nein, mit unserer Barb im Auto läuft da gar nichts. Keine intimen Abendessen, um »unsere Ermittlungsergebnisse zu besprechen«. Keine Einladungen nach Cornwall, um »in aller Ruhe über den Fall nachzudenken«. Da hast du nichts zu fürchten, Barb. Du bist vor Lynley sicher. In den fünf Jahren ihrer Zusammenarbeit in derselben Abteilung hatte der Mann es mit Erfolg vermieden, sie auch nur mit ihrem Namen anzusprechen, ganz zu schweigen von einer, wenn auch noch so flüchtigen, Aufnahme persönlichen Kontaktes, der ihm zweifellos widerlich gewesen wäre. Als wären niedrige Herkunft und öffentliche Schulbildung soziale Krankheiten mit höchster Ansteckungsgefahr.
    Sie ging aus der Toilette und eilte den Korridor hinunter zum Aufzug. Gab es in ganz New Scotland Yard überhaupt einen Menschen, den sie mehr haßte als Lynley? Er war die Verkörperung all dessen, was sie zutiefst verachtete: Schulbildung in Eton, Geschichtsstudium in Oxford, eine manierierte upper class -Diktion, ein hochherrschaftlicher Stammbaum, der sich bis zur Schlacht bei Hastings zurückverfolgen ließ. Beste Familie. Intelligent. Und so verdammt charmant, daß sie nicht verstehen konnte, wieso nicht jeder Kriminelle in der Stadt vor seinem Charme einfach die Waffen streckte.
    Der Grund, den er für seine Tätigkeit beim Yard angab, war der reinste Witz, ein hübsch erfundenes Märchen, das sie nun wirklich nicht schluckte. Er wolle ein nützliches Mitglied der Gesellschaft sein, einen Beitrag leisten. Eine berufliche Karriere in London lag ihm mehr am Herzen als das Leben auf dem Familiengut. Einfach lachhaft.
    Die Aufzugtür öffnete sich, und sie stieg ein, um in die Tiefgarage hinunterzufahren. Und wie angenehm glatt und reibungslos war seine Karriere verlaufen, billig erkauft mit dem Familienvermögen. Bis zum Commissioner würde er es mindestens bringen.
    Ihr Wagen, ein rostzerfressener Mini, stand in der hintersten Ecke der Garage. Wie angenehm, reich zu sein wie Lynley, zum alten Adel zu gehören, nur aus Jux zu arbeiten, abends in das vornehme Stadthaus in Belgravia heimzukehren und am Wochenende auf das Gut in Cornwall zu fliegen. Um sich von hinten bis vorn bedienen zu lassen von Butler, Dienstmädchen, Köchinnen und Lakaien.
    Stell's dir vor, Barb: du in Gesellschaft von soviel Glanz und Herrlichkeit. Was würdest du tun? Dahinschmelzen oder dich übergeben?
    Sie schleuderte ihre Handtasche auf den Rücksitz, knallte die Wagentür zu und ließ den Motor an, der einmal kurz hustete und dann aufheulte. Die Reifen quietschten auf dem Beton, als sie die Rampe hinaufraste. Sie nickte dem diensthabenden Beamten an der Pforte kurz zu und fuhr auf die Straße hinaus.
    Dank dem geringen Wochenendverkehr brauchte sie von der Victoria Street zum Embankment nur wenige Minuten. Das milde Lüftchen des Oktobernachmittags kühlte ihren Zorn und beruhigte ihre Nerven, so daß sie ihre Empörung langsam vergaß. Es war wirklich eine hübsche Fahrt zum Haus der St. James.
    Barbara mochte Simon Allcourt-St.-James, hatte ihn schon von dem Tag an gemocht, als sie ihm vor zehn Jahren das erste Mal begegnet war. Sie selbst damals eine unsichere Zwanzigjährige, frischgebackene Polizistin, die sich nur allzu bewußt war, daß sie in eine streng gehütete Männerwelt eingebrochen war, wo man die Frauen, die eigentlich Kolleginnen sein sollten, nach ein paar Bier immer

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