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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ungläubig. »Ich würde sagen, daß Gillys Verschwinden für alle Beteiligten eine Wohltat war.«
    »Wieso?«
    »Sagen wir einfach, daß Gilly ein frühreifes Ding war.« Er blickte zum Haus. »Neben ihr wäre Madeline die Jungfrau Maria gewesen. Hab' ich mich klar genug ausgedrückt?«
    »Durchaus. Hat sie Sie verführt?«
    »Sie sind wirklich unverblümt, wie? Geben Sie mir eine Zigarette, dann erzähl' ich's Ihnen.«
    Er zündete sich die Zigarette an, die Lynley ihm aus seinem Etui anbot, und sah zu den Feldern hinüber, die gleich hinter der ungepflasterten Straße anfingen. Jenseits schlängelte sich der Weg zum High Kel Moor in die Bäume.
    »Ich war neunzehn, als ich aus Keldale wegging, Inspector. Ich wollte nicht weg. So wahr ich hier stehe, es war das letzte, was ich wollte. Aber ich wußte, wenn ich es nicht täte, würde es früher oder später zum großen Knall kommen.«
    »Aber Sie schliefen mit Ihrer Cousine Gillian, ehe Sie fortgingen?«
    Gibson prustete verächtlich. »Wohl kaum. Schlafen ist nicht das Wort, das ich bei einem Mädchen wie Gilly gebrauchen würde. Sie wollte die Kontrolle über alles haben, und sie hatte sie, Inspector. Sie konnte mit einem Mann Sachen anstellen - besser als jede routinierte Nutte. Sie trieb mich ungefähr viermal am Tag die Wände hoch.«
    »Wie alt war sie?«
    »Sie war zwölf, als sie mich das erstemal auf eine Art anschaute, die mit verwandtschaftlicher Zuneigung nichts zu tun hatte. Dreizehn, als sie das erstemal - ihre Nummer abzog. In den folgenden zwei Jahren trieb sie mich fast an den Rand des Wahnsinns.«
    »Wollen Sie sagen, daß Sie von hier weggingen, um ihr zu entkommen?«
    »So edel bin ich nun auch wieder nicht. Ich ging, um William zu entkommen. Früher oder später hätte er was gemerkt. Das wünschte ich uns beiden nicht. Ich wollte Schluß machen.«
    »Warum haben Sie nie mit William darüber gesprochen?«
    Gibson riß erstaunt die Augen auf.
    »Für den konnte doch keines der beiden Mädchen kein Wässerchen trüben. Wie hätte ich ihm sagen sollen, daß Gilly, sein ein und alles, hinter mir her war wie eine rollige Katze und mich scharf machte wie eine geübte Hure? Er hätte mir nie geglaubt. Ich hab's ja selbst oft nicht geglaubt.«
    »Sie ging ein Jahr nach Ihnen aus Keldale fort, nicht wahr?«
    Er warf seine Zigarette auf die Straße.
    »Ja, das hab' ich gehört.«
    »Haben Sie sie je wiedergesehen?«
    Gibsons Blick wich dem seinen aus.
    »Niemals«, sagte er. »Und es war ein Segen.«

    Marsha Fitzalan war eine gebeugte, verwelkte Frau mit einem Gesicht, das Lynley an einen rotbackigen, runzligen Apfel erinnerte. Tausend Fältchen zeichneten die alte Haut und reichten bis zu den blauen Augen hinauf. Doch diese Augen waren quicklebendig, sprühten vor Interesse und Heiterkeit und sagten jedem, der sie ansah, daß ihr Körper zwar alt sei, Herz und Verstand jedoch jung geblieben seien wie eh und je.
    »Guten Morgen«, sagte sie lächelnd und korrigierte sich nach einem Blick auf ihre Uhr. »Oder besser guten Nachmittag. Sie sind Inspector Lynley, nicht wahr? Ich dachte mir schon, daß Sie früher oder später vorbeikommen würden. Ich habe Zitronenkuchen gebacken.«
    »Extra für diesen Anlaß?« fragte Lynley.
    »Gewiß«, bestätigte sie. »Bitte, kommen Sie herein.«
    Auch sie wohnte in einem der Gemeindehäuser, aber hier sah es ganz anders aus als bei den Gibsons. Der Garten vor dem Haus war in abwechslungsreichen Beeten mit Blumen bepflanzt; Steinkraut und Primeln, Löwenmäulchen und Geranien. Sie waren in Vorbereitung auf den nahenden Winter zurückgeschnitten, die Erde um jede einzelne Pflanze umgegraben. Neben der Haustür standen zwei Vogelhäuschen, und an einem Fenster hing ein Glockenspiel, dessen leises Geläute trotz des Lärmens und Schreiens der Gibson-Kinder im Nachbargarten zu hören war.
    Die Atmosphäre drinnen im Haus erinnerte Lynley sofort an lange Nachmittage im Zimmer seiner Großmutter in Howenstow. Auch hier war alles ganz anders als bei den Gibsons. Das kleine Wohnzimmer war behaglich, wenn auch nicht teuer eingerichtet, mit Bücherregalen an zwei Seiten, die bis zur Zimmerdecke reichten. Auf einem kleinen Tisch unter dem einzigen Fenster stand eine Sammlung gerahmter Fotografien, und über dem uralten Fernsehapparat hingen kleine Gobelinstickereien.
    »Würden Sie mit in die Küche kommen, Inspector?« fragte Marsha Fitzalan. »Ich weiß, es ist eine schreckliche Sitte, Gäste in der Küche zu empfangen, aber

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