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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sondern ein erzürnter Ehemann, dachte Lynley. Ist es möglich, Tessa? Oder sahst du an einem einzigen Nachmittag deine ganze Welt einstürzen und konntest es nicht ertragen, sie wieder aufzubauen?
    Er wandte sich von dem Schrein ab und lief die Treppe hinauf. Nein, die Lösung mußte im Haus sein. Gillian mußte sie haben.
    Er ging zuerst in ihr Zimmer, doch seine sterile Unbewohntheit sagte nichts aus. Das Bett mit dem reinlichen Überwurf starrte ihn kalt an. Auf dem Teppich waren keine Fußabdrücke, die in die Vergangenheit führten. Hinter der Tapete verbargen sich keine lang gehüteten Geheimnisse. Es war, als hätte nie ein junges Mädchen in diesem Zimmer gelebt, hätte nie ihre Lebendigkeit und ihren Geist in diesen Raum getragen. Und doch - etwas war noch da von Gillian. Er hatte es gesehen, er konnte es fühlen.
    Er ging zum Fenster und sah gedankenverloren zum Stall hinunter. Sie war wild, ungebärdig. Sie war ein Engel, ein Sonnenschein. Sie war eine rollige Katze. Sie war das hinreißendste junge Mädchen, das ich je gekannt habe. Es war, als gäbe es überhaupt keine reale Gillian, sondern nur ein Kaleidoskop, das, wenn man es schüttelte, sich jedem, der hineinschaute, in anderer Konstellation zeigte. Er wollte so gern daran glauben, daß die Lösung in diesem Zimmer wartete, doch als er sich vom Fenster abwandte, sah er nichts als Möbelstücke, Tapete, Teppich.
    Wie konnte ein Mensch so gänzlich aus dem Leben der Familie gelöscht werden, in der er sechzehn Jahre gelebt hatte? Es war unvorstellbar. Und doch war es geschehen. Aber war es wirklich geschehen?
    Er ging in Robertas Zimmer hinüber. Gillian konnte nicht spurlos aus dem Leben ihrer Schwester verschwunden sein. Die beiden Schwestern hatten sich geliebt. Ein starkes Band hatte sie miteinander verbunden. Darin zumindest waren sich alle einig, ganz gleich, was sie über Gillian gesagt hatten. Sein Blick schweifte vom Fenster zum Schrank und weiter zum Bett. Er überlegte: Hier hatte sie ihre Essensvorräte versteckt gehalten? Warum sollte sie hier nicht auch Gillian versteckt haben?
    Lynley wappnete sich innerlich gegen den Anblick und den Gestank der verfaulenden Lebensmittel und zog die Matratze weg. Der Gestank schoß wie eine Flutwelle in die Höhe. Das schlimmste, dachte er angewidert, war das Wissen, daß das Mädchen in diesem Bett über all der Fäulnis tatsächlich geschlafen hatte.
    Er sah sich um, suchte nach einer Möglichkeit, sich die bevorstehende Aufgabe zu erleichtern, und fand nichts. Das Licht im Zimmer war schlecht. So unangenehm es war, es würde ihm nichts anderes übrigbleiben, als die Matratze ganz herunterzuziehen und den Bezug des Sprungrahmens aufzureißen. Stöhnend vor Anstrengung riß er Matratze und Bettzeug auf den Boden und eilte zum Fenster. Er riß es auf und blieb einen Moment stehen, um frische Luft zu schöpfen, ehe er zum Bett zurückkehrte. Er stieg auf den Sprungrahmen und plante die Attacke, ohne auf die aufsteigende Übelkeit zu achten.
    Na los, alter Junge, komm schon. Das ist doch der Grund, warum du zur Polizei gegangen bist. Jetzt reiß dich zusammen. Nur ein starker, kräftiger Riß!
    Er packte zu, und der brüchige Stoff - die dünne Schicht der Normalität - zerriß unter seinen Händen und offenbarte den Wahnsinn darunter. Mäuse spritzten in alle Richtungen auseinander, hinterließen ihre winzigen Spuren in den verfaulenden Früchten. Eine Maus säugte ihren Wurf blinder Junger auf einem Bett aus schmutziger Unterwäsche. Und eine Wolke von Motten, die aus ihrem Schlaf aufgestöbert worden waren, schoß ans Licht und schlug Lynley ins Gesicht.
    Erschrocken fuhr er zurück, unterdrückte mit Mühe einen Aufschrei und stürzte ins Bad, wo er sich das Gesicht mit Wasser bespritzte. Er schaute sich im Spiegel an und lachte lautlos. Gut, daß du kein Mittagessen im Magen hast. Nach dem Anblick hier bringst du vielleicht dein Leben lang keinen Bissen mehr runter.
    Er suchte ein Handtuch, um sich das Gesicht zu trocknen. Es war keines da. Doch an der Badezimmertür hing ein Morgenmantel. Er schlug die Tür zu. Das beschädigte Riegelschloß knirschte gegen den Türrahmen. Er trocknete sich das Gesicht an dem Kleidungsstück und besah sich nachdenklich das Schloß. Ein neuer Gedanke kam ihm, und er ging hinaus.
    Der Kasten mit den Schlüsseln stand dort, wo er ihn beim erstenmal gesehen hatte, ganz hinten auf dem obersten Bord von Teys' Schrank. Er nahm ihn heraus und schüttete den Inhalt aufs

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