01 Jesses Maria: Kulturschock
dieselbe sein.
Micha knutschte mich ab und fummelte mir unter dem Minirock herum. Unangenehme Sache, aber jetzt hatte ich zugesagt und es gab kein Zurück.
„Guck mal, was ich habe“, sagte Micha. „Was ist das?“ „Patentex oval“.
Verhütungszäpfchen, klar. Lieber Himmel, gut, dass er dran gedacht hatte. „Ich hab zwei“, sagte er. Sollte ich das etwa zweimal nacheinander machen? Diese Sau.
Wir saßen im Schneidersitz auf der Matratze. Micha riss eines der kleinen Dinger auf. Eine eklig zähe weiße Masse quoll heraus. „Mist, geschmolzen, ich hatte es in der Hosentasche“, sagte er. Wir gingen durch die Seitentür der Garage ins Haus, hinauf in die Küche, er legte das Zäpfchen in den Kühlschrank. In seinem Zimmer hörten wir Platten. Penny Lane, Mister Postman und Obladioblada. Nach einer Stunde holte Micha das Zäpfchen aus dem Kühlschrank und quetschte daran rum. „Okay, es ist hart. Es kann losgehen.“ Ab in die Garage.
Ich hab mich später mal gefragt, warum wir es nicht in seinem Zimmer erledigt haben. Wahrscheinlich wegen der Flecken auf der Matratze. Blitzschnell zog ich meinen Minirock aus, stellte meine grün schwarz gestreiften Plateausandalen ordentlich neben die Matratze, streifte die Bluse über den Kopf, ordnete meine Haare, legte mich auf die Seite und verschränke die Arme vor der Brust. Ganz schnell. Mich hatte nämlich noch nie ein Junge nackt gesehen.
Michas Röhrenjeans klebten ein bisschen am Körper. Er war dünn. Und O-Beine hatte er auch. So sah also ein Männer-Dingens aus.
Ich weiß noch, dass ich mich sehr wunderte. Weil da keine Haare dran waren. Ich hatte bis dahin gedacht, an dem ganzen Teil wären Haare. Das Dingens erinnerte mich an eine Knacker Brühwurst und ich fand es nichthübsch.
Micha legte sich neben mich und wir knutschten ein bisschen. Aufgeregt war ich nun nicht mehr. Micha schon, ich spürte, wie schnell sein Herz klopfte. Er drehte mich auf den Rücken.
Der Wasserfleck an der Garagendecke hatte die Form von Frankreich. Oder von Spanien?
„Frau Jesse, bitte.“ Wie? Was? Achso.
„Nehmen Sie bitte schon mal im Sprechzimmer zwei Platz.“ Wieder warten. Ich rede erst mal mit dem neuen Doktor. Dr. Holger Schiller. Der sieht mich erst nackt, wenn ich weiß, dass ich ihm vertrauen kann.
Bei Micha damals wusste ich, dass alles klar ging. Nachher habe ich mich mit eiskaltem Wasser aus dem Wasserhahn für den Gartenschlauch gewaschen, weil mir das geschmolzene Verhütungszäpfchen wieder raus lief. Wenn Mutter davon was in meinem Schlüpfer gesehen hätte…
Ich achte sehr auf meine Unterwäsche, wenn ich zum Frauenarzt muss. Auch auf die Socken. Das ist immer schwierig. Meistens muss man sich unten rum freimachen und behält den Büstenhalter an. Es sieht so blöde aus, wenn man mit Socken, BH und nacktem Hintern hinter dem Vorhang herkommt und zum Untersuchungsstuhl geht. Also trage ich immer lange Pullover, die bis über den Hintern reichen. Und die Socken ziehe ich aus. Barfuss sieht besser aus, wenn man schon unten ohne ist. Barfuss natürlich nur, wenn man keinen Fußpilz und keine Hornhaut hat.
Er hat den Schreibtisch von Dr. Buschjost nicht übernommen.
Dieser hier ist aus hellem Holz. Soweit ich das bei dem vielen Gedöns sehen kann. Meine Güte, ist das ein chaotischer Mensch. Diese vielen Blätter und Briefe und Formulare. Warum legt sich einer Bücher stapelweise auf den Schreibtisch? Hat er zwischen den Untersuchungen Zeit zum Lesen?
Gynäkologische Endokrinologie für die Praxis, Klimakterium und psychosoziale Folgen
. Was der alles wissen muss. Vielleicht liest er das auch gar nicht. Die Bücher liegen hier vielleicht nur, um uns Frauen zu zeigen, wie schlau er ist. Ich hab mal das Buch „Die Insel des vorigen Tages“ geschenkt gekriegt. Völlig konfuses Zeug, merkt man ja schon am Titel, und ist auch kein bisschen spannend. Ich hab die ersten drei Seiten gelesen und nicht verstanden. Von Hubertus Ecco oder so ähnlich. Ein ganz Berühmter. Dieses Buch von der Insel hab ich immer aufgeschlagen auf die Sessellehne gelegt, bevor Besuch kam. Es machte schon Eindruck, wenn einer es in die Hand nahm, die ersten komischen Sätze las, die Stirn runzelte und „aha“, sagte. In Wirklichkeit lese ich ganz gerne die Bücher von Konsalik, Gaby Hauptmann und Hera Lind. Und von der Frau mit dem komischen Namen: Ildyko von irgendwas. Diese Schriftstellerinnen schreiben vom wahren Leben. Oder jedenfalls kann man sich das vorstellen, wovon sie
Weitere Kostenlose Bücher