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01 Jesses Maria: Kulturschock

01 Jesses Maria: Kulturschock

Titel: 01 Jesses Maria: Kulturschock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Berling
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geschmissen und nicht dran gedacht hat, einfach den Absender der SMS anzurufen. Männer haben keine Nerven. Der eine nennt seine Geliebte Blasehase und der andere flippt sofort aus. Eigentlich müssen die sich gar nicht wundern, wenn sie betrogen werden. Harald Schmidt würde sich benehmen wie ein Mann.

Frauenarzt
    Ich geh nicht gern zum Frauenarzt. Lieber geh ich zum Zahnarzt. Da hab ich weniger Angst, auch wenn der Frauenarzt nicht bohrt. Ist auch komisch: Ein Mann, der den ganzen Tag nichts anderes zu tun hat, als fremden Frauen in den Schritt zu gucken. Das ist doch unnormal. Warum wird ein normaler Mann Frauenarzt? Kann der zuhause überhaupt noch, wenn der den ganzen Tag zwischen irgendwelchen Schenkeln rumgefuhrwerkt hat? Und wie findet seine Frau das, wenn er sich dauernd nackte Frauen beguckt? Und dann noch in solcher Lage! Findet der Frauen überhaupt noch schön? Es kommen ja nicht nur Gepflegte. Es kommen ja auch welche, bei denen man nicht gleich erkennt, ob sie da unten Haare haben oder einen Schwarm Fliegen.
    Warum sind so wenige Frauen Frauenarzt? Gibt’s eigentlich auch Männerärzte? Frauen, die Männerärzte sind? Das wäre ja mal ein Beruf.
    Wie dieser neue Doktor wohl ist? Es ist ein Jammer, dass Dr. Buschjost seine Praxis abgegeben hat. Das Alter hatte er.
    Ich ging als junges Ding schon zu ihm und damals war er schon alt. Wir sind immer gut miteinander ausgekommen. Ich mochte seine unverbindliche Art. Er hat mir nie ins Gesicht gesehen und er lächelte nie. Das fand ich gut. Es wäre sehr indiskret, wenn einer einen erst untenrum anguckt und dann in die Augen sieht. Und zu lächeln gibt’s auch nichts bei so einem Termin.
    Dr. Buschjost guckte immer nur auf seinen schwarzen Schreibtisch, und da war nichts drauf außer der Karteikarte und einem silbernen Kuli. Keine Bücherstapel, keine Fotos, keine Briefe, kein Staubkörnchen – auf schwarz! - gar nichts lag da rum. Damit wollte er den Frauen bestimmt zeigen, wie sauber er ist. Quasi: wie aufgeräumt. Ich habe mal gelesen, dass übertriebene äußerliche Ordnung ein Zeichen für inneres Chaos ist. Das ist bestimmt wahr.
    Als ich zum ersten Mal zu Dr. Buschjost ging, war meine Mutter dabei. Da war ich fünfzehn und hatte meine Tage unregelmäßig. Ich weiß es noch wie heute, dass Dr. Buschjost mir ein Hormonpräparat aufschrieb, auf seinen schwarzen, leeren Schreibtisch starrte und warnend murmelte: „Mein kleines Fräulein, das ist aber keine Anti-Baby-Pille, nicht wahr!“ Ich hab so getan, als wüsste nicht, was er meinte. Mutter hatte ich mich nicht aufgeklärt und es war mir peinlich, dass sie auch wusste, was ich schon wusste.
    Dann hat Dr. Buschjost Mutter richtig verschwörerisch angesehen. Den Blick habe ich allerdings erst später verstanden, zuhause, als ich den Beipackzettel las. Klar war das die Pille. Das hätt ich schon an der Packung erkennen können: Ein runde Dose, an der man den Deckel drehen musste, um jeden Tag eine Pille rausnehmen zu können. Und die Dinger hatten verschiedene Farben. Weiß, gelb, rosa. Mutter und Dr. Buschjost wollten nur mein Bestes und mich nicht in Sicherheit wiegen. Dabei war das ganz unnötig, ich habe erst mit sechzehn zum ersten Mal. Mit Micha. Micha hatte dünnes blondes Haar, schulterlang, und Akne. Er versuchte, sie mit Visamt-Kompaktpuder zu verdecken. Das ganze Gesicht hatte er damit zugekleistert und seine Pickel sah man trotzdem. Micha war nett und wir mochten dieselbe Musik. Beatles und Donovan, die ganzen alten Sachen.
    Micha war ein richtiger Kumpel. Deshalb hab ich es auch mit ihm zum ersten Mal getan.
    In der Bravo hatte gestanden: „Den ersten Mann vergisst Du nie.“ Immer wieder las ich bei Dr. Sommer, dass Mädchen schrecklichen Liebeskummer hatten, nachdem sie es das erste Mal getan hatten. Das wollte ich nicht erleben. Und weil ich mit Micha befreundet war und meine Freundinnen alle schon mal „hatten“ und ich nicht, hab ich Micha einfach gefragt, ob er das erste Mal nicht bei mir erledigen könnte.
    Ich erinnere mich noch ganz genau an sein neckisches Grinsen, als er sagte: „Klar. Gerne. Wird gemacht, Mariechen.“ Es war im Sommer. 1975. Ein superheißer Tag im Juli. Wir trafen uns bei ihm zuhause. Salzsiederstraße zwölf. Seine Eltern waren nicht da. Micha führte mich in die Garage neben dem Haus. In der Ecke lag eine blaue Matratze. Ich dachte:
Hier wird es gleich passieren. Hier werde ich meine Unschuld verlieren. Wenn ich hier heute rausgehe, werde ich nie mehr

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