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01 - Nacht der Verzückung

01 - Nacht der Verzückung

Titel: 01 - Nacht der Verzückung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Balogh
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gestatten, einige Schritte hinter ihr zu laufen. Sie ging
neben ihm und schon bald hatte sie ihn dazu gebracht, von seiner Familie zu
erzählen - er hatte vor einem Jahr eines der Zimmermädchen geheiratet und
vor kurzem hatten sie einen kleinen Sohn bekommen.
    Mrs.
Gish, die einen Tag zuvor nach langen und schweren Wehen ihr siebtes Kind zur
Welt gebracht hatte, mühte sich mit Hilfe einer älteren Nachbarin, ihr Haus und
ihre junge Familie in Ordnung zu halten. Lily hatte schon bald den Hauptraum
gefegt, den Tisch abgedeckt und gewischt, einen Stapel schmutziger Teller
gespült und abgetrocknet und einen blutigen Kratzer an einem Kinderknie
gesäubert und mit einem sauberen Lappen verbunden.
    Der
alte Mr. Howells, der pfeiferauchend vor der Hütte seines Enkels saß und
wehmütig dreinblickte, brauchte dringend ein Ohr, das gewillt war, seinen
langatmigen Erinnerungen an seine Tage als Fischer - und Schmuggler zu
lauschen. 0 ja, versicherte er der interessierten Lily, sie hatten damals einen
ordentlichen Anteil am Schmuggel in Lower Newbury gehabt, das hatten sie.
Wahrhaftig, er konnte sich erinnern, wie ...
    »Mylady«,
sagte der Kutscher schließlich nach respektvollem Räuspern - er hatte in
einiger Entfernung gestanden -, »Ihre Ladyschaft hat einen Diener vom
Vikariat geschickt ...«
    »Oh,
gütiger Himmel«, sagte Lily und stand auf. »Sicherlich wartet sie darauf, zur
Abbey zurückzukehren.«
    Die Gräfinwitwe
wartete tatsächlich - und zwar schon seit fast zwei Stunden. Vor dem
Vikar und seiner Frau legte sie Großmut an den Tag. Und auch auf dem Heimweg in
der Kutsche zeigte sie sich großmütig.
    »Lily,
mein Liebes«, sagte sie und legte eine behandschuhte Hand über die ihrer
Schwiegertochter, »es ist wie ein frischer Windhauch, der über uns hinwegweht,
zu beobachten, wie du dich um Nevilles ärmere Pächter kümmerst. Und dein
Lächeln und dein Charme schaffen dir Freunde, wo immer du hingehst. Wir alle haben
dich ganz ausgesprochen lieb gewonnen.«
    »Aber?«,
sagte Lily und wandte den Kopf ab, um aus dem Fenster zu schauen. »Aber ich bin
für euch alle eine Last.«
    »Oh,
mein Liebes.« Die Witwe tätschelte ihre Hand. »Nein, das ist es nicht. Ich
denke, du hast uns genauso viel beizubringen, wie wir dir beibringen müssen.
Aber wir müssen dir in der Tat sehr viel beibringen, Lily. Du bist Nevilles
Gemahlin und er ist dir ganz offensichtlich sehr zugetan. Ich bin froh darüber,
denn ich liebe ihn sehr, weißt du. Aber du bist auch seine Gräfin.«
    »Und
ich bin auch die Tochter eines einfachen Soldaten«, sagte Lily und in ihrer
Stimme schwang eine gewisse Verbitterung mit. »Ich bin auch jemand, der nichts
über das Leben in England und in einem festen Zuhause weiß. Und noch weniger
von dem Leben einer Dame, ganz zu schweigen von dem einer Gräfin.«
    »Zum
Lernen ist es nie zu spät«, sagte ihre Schwiegermutter energisch, aber nicht
unfreundlich.
    »Wenn
alle jeden meiner Schritte beobachten, um einen Fehler zu finden?«, fragte Lily.
»Oh, aber das ist ungerecht, ich weiß. Alle sind sehr freundlich. Ihr seid
freundlich. ich werde es versuchen. Wirklich. Aber ich bin nicht sicher, ob ich
... mich selbst aufgeben kann.«
    »Meine
liebe Lily.« Die Witwe klang ernsthaft besorgt. »Niemand erwartet von dir, dass
du dich selbst aufgibst, wie du es ausdrückst.«
    »Aber
ich habe das Bedürfnis, mich in Lower Newbury unters Fischervolk zu mischen«,
sagte Lily. »Dort fühle ich mich wohl. Dort gehöre ich hin. Muss ich lernen,
huldvoll zu jenen Menschen herabzunicken und nicht mit ihnen zu reden oder
ihnen persönliche Anteilnahme zukommen zu lassen und ihre Kinder im Arm zu
halten?«
    »Lily.«
Ihre Schwiegermutter hatte offensichtlich nicht die Absicht, sich weitergehend
dazu zu äußern.
    Ach
werde es versuchen«, wiederholte Lily nach ein oder zwei Minuten des
Schweigens. Ach bin nicht sicher, ob ich jemals die Person sein kann, die Ihr
in mir zu sehen wünscht. Ich bin nicht sicher, ob ich aufhören möchte, ich
selbst zu sein. Und ich kann nicht erkennen, wie ich beides gleichzeitig sein
könnte. Aber ich verspreche, dass ich es versuchen werde.«
    »Das
ist alles, worum wir dich bitten können«, sagte die Witwe und tätschelte ihr
erneut die Hand.
    Aber
als sie nach ihrer Rückkehr zum Haus in ihre Zimmer hinaufrannte, fühlte Lily
sich wie eine elende, hoffnungslose Versagerin, die Neville nur der
Lächerlichkeit preisgeben würde, wenn sie sich nicht änderte.
    Es war
für Lily ein

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