01 - Nacht der Verzückung
drehte sich um, um das Hauskleid zu holen, das sie für
ihre Herrin herausgelegt hatte.
»Vernünftig?«
Lily lachte noch einmal. »Das war er wahrscheinlich, Dolly, bis ich hierher
kam, um ihn zu verführen. Wir sind zusammen im Teich geschwommen letzte Nacht
und noch einmal heute Morgen. Es war wundervoll.« Sie erlaubte Dolly, ihr das
Kleid über den Kopf zu ziehen, und drehte sich gehorsam um, damit es am Rücken
zugeknöpft werden konnte. »Ich glaube, ich werde von jetzt an jeden Tag meines
Lebens schwimmen gehen. Was glaubst du, wird die Gräfinwitwe davon halten?«
Als
Lily sich hinsetzte, um frisiert zu werden, trafen sich ihre und Dollys Augen
im Spiegel und sie brachen beide in Gelächter aus.
Als
Dolly sich die Bürste genommen hatte und überlegte, an welcher Stelle sie die
entmutigende Aufgabe angehen sollte, Lilys Haar zu bändigen, kam ihr ein
anderer Gedanke. »Wie kommt es, dass Eure Unterwäsche nicht nass ist, Mylady?«,
fragte sie.
Aber
die Antwort fiel ihr ein, noch während sie fragte, und sie lief hochrot an.
Beide lachten wieder ausgelassen.
»Ich
kann nur sagen«, meinte Dolly, während sie kräftig bürstete, »es ist sehr gut,
dass niemand vorbeikam und Euch gesehen hat.«
Beide
schnaubten übermütig.
Lily
war fest entschlossen, sich die Heiterkeit zu bewahren, mit der sie den Tag
begonnen hatte. Nach dem Frühstück, als die Damen, wie sie wusste, wie
gewöhnlich in den Morgensalon gingen, um Briefe zu schreiben und Konversation
zu treiben und an ihren Stickarbeiten zu sitzen, ging sie hinunter in die Küche
und half, den Brotteig zu kneten und etwas Gemüse zu schneiden, während sie
sich fröhlich an der Unterhaltung beteiligte - die Dienerschaft, war sie
froh zu bemerken, gewöhnte sich langsam an ihre Anwesenheit und verlor ihre
Verlegenheit. Tatsächlich schimpfte die Köchin sie schon bald aus.
»Bist
du immer noch nicht fertig mit den Möhren?«, fragte sie energisch. »Du solltest
weniger reden ...« Und dann wurde ihr bewusst, mit wem sie da sprach, genau wie
allen anderen in der Küche. Alle erstarrten.
»Ach du
meine Güte«, sagte Lily lachend. »Sie haben völlig Recht, Mrs. Lockhart. Ich
werde kein einziges Wort mehr sagen, bis alle Möhren geschnitten sind.«
Nach
einer vollen Minute verlegener Stille die nur von dem Geräusch ihres Messers
auf dem Hackbrett unterbrochen wurde, lachte Lily erneut fröhlich auf. .
»Zumindest«,
sagte sie, »brauche ich keine Angst zu haben, dass Mrs. Ailsham mich rauswirft,
oder?«
Alles
lachte, vielleicht ein wenig zu herzlich, aber dennoch gelöst. Lily schnitt die
Möhren fertig und setzte sich dann mit einer Tasse Tee und der knusprigen,
warmen Kruste eines frisch gebackenen Brotes hin, bevor sie widerwillig wieder
nach oben ging. Aber sie strahlte erneut, als ihre Schwiegermutter sie fragte,
ob sie Lust habe, mit ihr nach dem Mittagessen ein paar Besuche im oberen Dorf
zu machen und im unteren Dorf zwei Essenskörbe abzugeben -einen bei einem
älteren Mann, der krank gewesen war, und einen bei der Frau eines Fischers, die
im Kindbett lag.
Aber
das Abgeben der Körbe, erfuhr Lily später, als sie bei den Fräulein Taylor im
Salon saßen und die unvermeidliche Tasse Tee tranken, sollte durch einen
Stellvertreter erledigt werden. Der Kutscher hatte sie den Hügel
hinunterzutragen und bei den entsprechenden Hütten abzuliefern.
»0
nein«, protestierte Lily und sprang auf. »Ich werde sie nehmen.«
»Meine
liebe Lady Kilbourne«, sagte Miss Amelia, »welch ein zutiefst gütiger Gedanke.«
»Aber
der Hügel ist zu steil für eine Kutsche, Lady Kilbourne«, erklärte Miss Taylor.
»Oh,
ich werde laufen.« Lily strahlte übers ganze Gesicht. Sie war seit dem Morgen,
an dem sie über die Felsen dorthin gelangt war, nicht mehr unten in Lower
Newbury gewesen. Sie freute sich über die Gelegenheit, dorthin zurückzukehren.
»Lily,
mein Liebes.« Die Gräfinwitwe lächelte sie kopfschüttelnd an. »Es ist absolut
unnötig, dass du persönlich hingehst. Man erwartet das nicht.«
»Aber
ich möchte gehen«, versicherte Lily.
Und so
begab sich die Gräfinwitwe, nachdem sie einige Minuten später das elegante
Häuschen der Taylor-Fräuleins verlassen hatten, zum Vikariat, während
Lily beschwingten Schrittes mit einem großen Korb auf dem Arm den steilen Hügel
hinabtänzelte. Der Kutscher, der den anderen Korb trug, hatte beide nehmen
wollen, aber sie hatte darauf bestanden, ihren Teil der Last zu tragen. Und sie
wollte ihm nicht
Weitere Kostenlose Bücher