01 - Suche bissigen Vampir furs Leben
typischer Kidnapper interessiert sich in Wahrheit gar nicht für sein Opfer. Er ist hinter etwas ganz anderem her. Geld. Macht. Oder beides. Das Opfer ist nur ein Mittel zum Zweck, um das zu bekommen, was der Entführer wirklich will. Aber dieser Kerl hat keinerlei Versuche unternommen, mit den Behörden Kontakt aufzunehmen. Er schnappt sich nur immer noch mehr Frauen und verwischt sorgfältig alle Spuren.“
Mir saß auf einmal ein dicker Kloß im Hals, ich musste schlucken. „Sie glauben wirklich, dass er sie umbringt?“
Er nickte. „Ich kann es fühlen.“ Schließlich war er ein Vampir mit erhöhter Sinneswahrnehmung. „Nachdem er bekommen hat, was er wollte.“
„Und das wäre?“
„Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich ihn finden muss.“
„Woher wissen Sie denn, dass er sich hier in Manhattan befindet?“ Ich überlegte schnell, ob ich in letzter Zeit irgendetwas über vermisste Personen gehört hatte, einen Gesprächsfetzen oder einen Ausschnitt aus den Nachrichten vielleicht. Da ich es mir allerdings zur Aufgabe gemacht hatte, Nachrichten aus dem Weg zu gehen, dauerte die gedankliche Suche ganze zwei Sekunden. „Hat es hier auch eine Entführung gegeben?“
„Noch nicht. Es fing in Los Angeles an. Dann ging es nach Houston. Dann Chicago. Es. würde Sinn ergeben, wenn New York als Nächstes auf seiner Liste stünde.“ Mir schien mein Unverständnis auf die Stirn geschrieben zu sein, denn er fügte hinzu: „New York ist eine der vier am dichtesten besiedelten Großstädte.“
„Die anderen sind dann wohl Houston, L. A. und Chicago.“ Er nickte.
„Genau.“
„Ich begreife noch immer nicht, warum Sie eigentlich hier sind. Wenn er Anzeigen in Single-Magazinen aufgibt, sollten Sie dann nicht lieber die Straße weiter runter bei The Village Voice sein?“
„Die Gesamtzahl seiner Opfer steigt ständig, und das bedeutet, dass er immer mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es könnte sein, dass er versucht, seine Herangehensweise ein wenig abzuändern, um die Behörden von seiner Spur abzubringen. Allzu sehr kann er seine Verfahrensweise allerdings nicht ändern. Er benutzt die Anzeigen als eine Art Ausleseverfahren, um genau den Typ Frau zu bekommen, den er haben will. Und dieses Ausleseverfahren ist für ihn absolut notwendig.“
„Darum könnte es sein, dass er es mit einer Partnervermittlung probiert?“
„Das ist immerhin eine Möglichkeit.“
„Was erwarten Sie nun von mir?“
„Sie sollen einfach nur die Augen offen halten. Höchstwahrscheinlich sucht er nach jemandem, der in das Profil passt, das ich vorhin beschrieben habe. Der Entführer selbst ist sehr präzise und methodisch. Das FBI sucht nach jemandem, der in einem Bereich arbeitet, der mit Technik zu tun hat. In diesem Punkt stimme ich ihnen auch zu, aber ich glaube, dass er nicht unbedingt einen Job hat, sondern eher finanziell unabhängig sein wird und die Technik nur sein Hobby ist.“
„Warum?“
„Nicht viele Leute können nach nur wenigen Monaten ihren Kram zusammenpacken und umziehen, und zwar gleich mehrfach. Außerdem bezahlt er immer in bar. Nirgendwo gibt es irgendwelchen Papierkram, der auf ihn hinweist.“
„Reich und schlau.“ Das klang wie der Wunschzettel einer jeden Frau in Manhattan.
„Und psychotisch. Ich weiß nicht, wie er sie überwältigt -wahrscheinlich mit Hilfe von Drogen. Aber ich weiß jedenfalls, dass er Handschellen benutzt. Die Polizei ist da anderer Meinung. Es gibt keinerlei Beweise. Aber er benutzt Handschellen, da bin ich ganz sicher.“
„Woher wissen Sie das?“
„Ich kann sie riechen.“
„Ich habe im Lauf der Jahrhunderte schon so manches gerochen, aber ich muss ganz ehrlich sagen, Handschellen waren nie dabei.“
Er zwinkerte. „Eine Jungfrau. Das gefällt mir.“
Mein Herz klopfte mir bis zum Hals.
Gewandelt, rief ich mir ins Gedächtnis.
Er zog eine Visitenkarte aus der Tasche und ließ sie über den Schreibtisch zu mir herüberrutschen. „Ich nehme im Augenblick mit allen Partnervermittlungen hier in der Gegend Kontakt auf, genau wie mit den Single-Magazinen. Rufen Sie mich an, wenn Ihnen irgendetwas verdächtig vorkommt.“
„Sollte ich nicht einfach die Polizei anrufen?“ Vorzugsweise einen hässlichen, pickelgesichtigen Anfänger, der keinen Stetson trug und mich nicht anlächelte, als ob er nichts lieber täte, als mich flachzulegen und mir die Designerklamotten auszuziehen.
Er schüttelte den Kopf. „Bislang hat er hier noch nichts angestellt.
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