01 - Suche bissigen Vampir furs Leben
nährten. Sie nährten sich auch an seiner Angst, und deshalb reichte es für sie nicht einmal annähernd aus, eine Flasche Gourmetnahrung zu entkorken oder den nächsten Lieferservice anzurufen, um ihren Hunger zu befriedigen.
Schwarze Schafe gab es in jeder Rasse, da bildete unsere keine Ausnahme.
Aber davon zu wissen und damit konfrontiert zu werden, waren zwei ganz unterschiedliche Dinge.
„Ich biete eine Dienstleistung an, schlicht und einfach.“
„Das weiß ich jetzt, nachdem ich Sie in den letzten paar Tagen beobachtet habe.“ Er warf mir einen seltsamen Blick zu und schüttelte den Kopf. „Sie sind mit Gewissheit keine Fleisch-Dealerin. Nicht bösartig genug.“
Mich überlief ein Schauer, als er jetzt meinen Briefbeschwerer aufnahm und mit einem Finger das eingravierte LIL nachfuhr, wobei das i ein kleines Herz als I-Punkt hatte. Ich erstarrte.
„Vielleicht wusste ich ja, dass Sie mich beobachten und bin einfach nur eine richtig gute Schauspielerin.“ Na gut, bin ich also nicht bösartig. Ich kann manchmal ein richtiges Biest sein, aber viel näher komme ich an die Dunkle Seite wohl nicht heran. Trotzdem fühlte ich mich gezwungen, mich zu verteidigen. So sehr ich auch über gewisse Aspekte meiner Existenz jammern und stöhnen mag, ich bin doch stolz auf mein Erbe.
Und mein plötzlicher Sinneswandel hatte ganz sicher nichts damit zu tun, dass Ty Bonner fast enttäuscht wirkte.
„Ich kann genauso skrupellos und blutdürstig sein wie jeder andere Vampir auch. Darum bewahre ich auch diesen Dolch auf meinem Schreibtisch auf.“
Ich fummelte an der silbernen Waffe herum.
Er schien nicht im Mindesten beeindruckt.
„Blutdürstig, das nehme ich Ihnen ja noch ab. Schließlich sind Sie ein Vampir.
Aber skrupellos?“ Er schüttelte den Kopf. „Wohl kaum.“
„Und ob ich skrupellos bin.“ Ich richtete die silberne Klinge auf ihn, um meinen Worten Nachdruck zu verleihen. „Ich könnte Sie mit einer einzigen Handbewegung in den Kopfgeldjägerhimmel befördern.“
„Der Himmel ist so ziemlich der letzte Ort, zu dem ich unterwegs bin, Süße.“
Er grinste. „Außerdem ist das kein Dolch. Das ist ein Brieföffner.“
„Es könnte aber ein Dolch sein. Wenn man genügend Kraft aufwendet.“
Er zuckte mit den Schultern und nickte. „Aber Sie würden ihn nicht benutzen.
Das könnten Sie gar nicht.“ Er schüttelte den Kopf, als ob er es immer noch nicht fassen konnte. „Sie sind nett“
Mein Herz schien einen Salto zu schlagen. Verdammt! „Ich bin nicht nett.“
„ Sie sind so süß wie Zuckerwatte.“ Er schnupperte. „Sie riechen sogar nach Zuckerwatte.“ „Das heißt noch gar nichts.“
„Sie haben ihrer Assistentin Kaffee mitgebracht. Ihrer menschlichen Assistentin. Das ist so, als würde man seinem Pferd ein Glas Merlot anbieten.“
„Vielleicht habe ich ja Arsen reingetan.“
Er wirkte nicht im Geringsten überzeugt. „Sie bieten kostenlose Profile für die Partnersuche an.“
„Das hat überhaupt nichts mit Nettigkeit zu tun. Das hat schon seinen Grund - ich versuche nämlich gerade, ein Geschäft zu etablieren.“
„Sie haben dem Obdachlosen an der Ecke fünf Mäuse gegeben.“
Da hatte er leider recht.
Ich legte den Brieföffner wieder hin und faltete die Hände, damit sie nicht zitterten.
Okay, ich faltete sie, um sie nicht ausstrecken und die Narbe auf seiner Wange berühren zu müssen. Was soll ich sagen? Ich bin von Narben fasziniert.
Gebürtige Vampire haben keine. Wenn wir uns verletzen, reicht es, einen Tag drüber zu schlafen, und schon sind wir verjüngt und wieder ganz gesund. Das nenne ich Schönheitsschlaf. Jedenfalls funktioniert das mit dem Nickerchen auch bei gewandelten Vampiren. Natürlich erst, sobald die Wandlung vollzogen ist.
Aber vorher waren sie genauso verletzlich wie jeder andere Mensch auch.
Das Telefon suchte sich genau diesen Augenblick aus, um zu klingeln. Ich schnappte es mir auf der Stelle, froh über die Ablenkung. „Dead End Dating.
Wo das wahre Glück nur einen Fragebogen weit entfernt ist.“ Ich weiß, ich weiß. Es war ein dämliches Motto. Aber die goldenen Bögen von McDonald's wurden auch nicht an einem Tag gebaut.
„Lilliana Marchette“, schnauzte meine Mutter mich an. „Ich versuche jetzt schon seit einer Ewigkeit, dich zu erreichen. Hast du vielleicht die Telefonnummer deiner eigenen Mutter vergessen?“
„Tut mir leid.“ Meine Stimme war jetzt ein paar Oktaven höher und ich gab mein Bestes, um Evie zu
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