01-Unsterblich wie die Nacht-redigiert-25.10.12
dass sie ihn nun doch nicht heiraten konnte. Aber er wartete ihre Antwort gar nicht ab, sondern nahm sie bei der Hand und führte sie auf die Tanzfläche.
Angelica war nervös und gereizt und hätte ihm am liebsten eine sarkastische Antwort gegeben, wie sie es in solchen Situationen gewöhnlich tat. Aber sie brauchte sich nicht mehr hinter Sarkasmus zu verstecken oder hinter großen Palmwedeln. Oder auf Mondscheinritten Reißaus zu nehmen.
Angelica Shelton Belanow riss nicht mehr aus. Sie würde bald Mutter werden.
»Wie geht es dir?«, erkundigte sich Nicholas fürsorglich, während sie zu tanzen begannen.
»Danke, gut«, antwortete sie glatt. »Und dir?«
Nicholas schwieg einen Moment und betrachtete sie forschend. »Nicht schlecht. Obwohl es mir besser gehen würde, wenn ich wüsste, was dich bedrückt.«
»Du hast recht, Nicholas, mir geht’s nicht besonders gut. Ich muss dir etwas sagen.«
»Was ist es, Liebes? Was bedrückt dich so?«
Musste er so nett sein? Angelica wäre am liebsten davongerannt.
Stattdessen holte sie tief Luft und schaute tapfer zu ihm auf.
»Ich kann dich nicht heiraten, Nicholas.«
Er geriet kurz ins Stolpern, fing sich aber gleich wieder.
»Wieso nicht?«
Angelica überlegte. Sie könnte ihm alles Mögliche erzählen, alle möglichen Ausreden gebrauchen, aber das wäre unfair gewesen. Nicholas war immer ehrlich und nett zu ihr gewesen. Er verdiente es, die Wahrheit zu erfahren.
»Weil ich schwanger bin.«
Angespannt wartete sie darauf, dass er sie nun einfach stehen ließ. Oder ihr in aller Öffentlichkeit eine Szene machte. Und sie hätte es ihm nicht einmal übel genommen. Wie hatten die Dinge nur so aus dem Ruder laufen können?
»Wirst du ihn heiraten?«
Diese Frage überraschte sie. Wie konnte er so ruhig bleiben? War er denn nicht wütend?
»Nein.«
Sie spürte, wie sich seine Schulter unter ihrer Hand hob, und wusste, dass er Atem holte, um gefasst zu bleiben.
»Und du wirst es dir nicht morgen anders überlegen?«
Angelica wusste nicht, worauf er hinaus wollte, aber sie schuldete ihm jede Antwort, ja, mehr als das.
»Es ist vielleicht unfair, dir seinen Namen zu verschweigen, aber du sollst wissen, dass wir nicht heiraten werden. Er will nicht, Nicholas.«
»Aber du liebst ihn? Nein … ich will’s gar nicht wissen. Angelica, du kannst mich doch trotzdem heiraten, oder? Wir schaffen das. Heirate mich noch heute, und das Kind wird meines sein.«
Angelica schüttelte den Kopf.
»Ich kann nicht, Nicholas. Das kann ich …«
»Sag jetzt nicht, dass du mir das nicht antun kannst!«, fiel er ihr aufgebracht ins Wort. »Sag das bitte nicht. Wenn es nur um mich geht, Angelica, dann lass dir sagen: Ich liebe dich. Das Schlimmste, was du mir antun kannst, ist mich zu verlassen. Wenn es also nicht um mich geht, worum dann? Willst du mich denn nicht mehr heiraten?«
Wenn er doch bloß wütend werden würde, dachte Angelica verzweifelt. Mit Wut würde sie besser fertig werden als mit dieser schrecklichen Traurigkeit.
»Es tut mir so leid, Nicholas.«
Er blieb abrupt stehen und führte sie von der Tanzfläche. Dort küsste er ihre Hände. Als er sich wieder aufrichtete und in ihre Augen sah, brach es Angelica fast das Herz.
»Dann liebst du ihn also.« Er wandte den Blick ab, richtete ihn auf die großen, offen stehenden Türflügel des Ballsaals. Ohne sie anzusehen, sagte er: »Ich will dich nicht verlassen, aber ich muss. Mir tut das Herz weh, Angelica, deinetund meinetwegen. Ich habe gesagt, ich will dein Kind wie mein eigenes annehmen, aber ich möchte nicht, dass du dich zwingen musst, mich zu heiraten.«
»Nicholas«, sagte sie sanft und strich ihm zärtlich das Haar aus der Stirn. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Tut mir leid, Liebling. Ich habe dich in eine Situation gebracht, in der du tatsächlich nur schwerlich antworten kannst. Falls du deine Meinung noch ändern solltest, weißt du ja, wo ich zu finden bin.«
Er verbeugte sich und ging.
Angelica hatte das Gefühl, einen eiskalten Guss erhalten zu haben. Sie hatte plötzlich eine Gänsehaut, und ihre Hände zitterten.
»Angelica?«
Hatte sie denn keinen Moment Ruhe?
Sie pflasterte ein falsches Lächeln auf ihr Gesicht und drehte sich zu ihrem Bruder um.
»Ich hab schon überall nach dir gesucht«, sagte sie leichthin, während sie die aufsteigende Übelkeit bekämpfte. Sie hatte gerade das Herz eines guten Mannes gebrochen, eines wundervollen Mannes. Gott, sie wollte schlafen. Wenn
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