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01-Unsterblich wie die Nacht-redigiert-25.10.12

01-Unsterblich wie die Nacht-redigiert-25.10.12

Titel: 01-Unsterblich wie die Nacht-redigiert-25.10.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Hepsen
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Hilfe! Warum hilft mir denn keiner?«
     
    Angelica erwachte mit einem Ruck. Ihr Bruder saß ihr gegenüber am Frühstückstisch und beobachtete sie mit einem breiten Grinsen.
    »Hat man dir nicht beigebracht, dass es sich nicht schickt, am Frühstückstisch einzunicken? Beim Abendessen, vielleicht, aber doch nicht beim Frühstück. Das ist definitiv ein Fauxpas, meine Liebe, definitiv.«
    Angelica brauchte einen Moment, um zu sich zu kommen. Sie sah sich verstohlen um, aber außer ihr selbst und ihrem Bruder war niemand in dem sonnigen Frühstückszimmer.
    Keine Verehrer.
    Gott sei Dank.
    Mikhail musterte sie ein wenig besorgt, und das brachte sie schneller zu sich als alles andere. Sie strich ihr Haar glatt und verdrängte jeden weiteren Gedanken an den beängstigenden Traum.
    »Nun, zumindest sitze ich am Frühstückstisch. Wenn du so spät ins Bett gekommen wärst wie ich, wärst du gar nicht erst zum Frühstück erschienen!«
    Was zweifellos der Wahrheit entsprach; aber damit hielt sich Mikhail nicht auf. Es machte ihm viel zu viel Spaß, seine Schwester zu necken. Lächelnd nahm er einen Schluck Tee. »Also, ich weiß wirklich nicht, was skandalöser ist: überm Frühstück einzuschlafen oder die halbe Nacht lang zu lesen und kiloweise Kerzen zu verbrauchen.«
    »Deine Schuld! Du schleppst mich doch jeden Abend zu Dinnerpartys und Bällen. Wenn ich nicht so spät heimkäme, müsste ich auch nicht den Rest der Nacht lesen!«
    Mikhail verdrehte die Augen und stieß einen frustrierten Seufzer aus. »Angelica, du trägst mir doch wohl nicht noch immer die Sache mit deinem Debüt nach, oder? Früher oder später musstest du offiziell in die Gesellschaft eingeführt werden. Und in deinem Fall war das ohnehin spät genug!«
    Nun verdrehte Angelica  ihre  Augen, sagte aber nichts. Es hatte keinen Zweck, ihrem Bruder zu erklären, dass sie viel lieber in ihrem Landhaus bei ihren geliebten Büchern geblieben wäre, als Abend für Abend das Tanzbein zu schwingen und mit langweiligen Leuten zu reden. Nein, das konnte sie ihrem Bruder beim besten Willen nicht sagen. Vor allem deshalb nicht, weil sie vorhatte, in London zu bleiben und auf ihn aufzupassen.
    Da die einzige Reaktion seiner Schwester in einem Stoßseufzer bestand, zuckte Mikhail gutmütig mit den Schultern. »Und, was hast du heute vor?«
    »Ach, dies und das. Aber erst mal muss ich mich umziehen. Ich sage dir, die Rotten Row wird von Tag zu Tag sandiger!«
    Mikhail versuchte tapfer, ein Grinsen zu unterdrücken. »Wenn dich unsere frühmorgendlichen Ausritte in den Hyde Park gar so sehr ermüden, Schwesterherz, solltest du es nächstes Mal vielleicht auf der Ladies’ Mile versuchen.«
    Ein so dummer Vorschlag war keine Antwort wert, fand Angelica. Die Ladies’ Mile wurde ausschließlich von Damen frequentiert, die eigentlich gar nicht reiten, sondern nur ihre neuen Reitkostüme vorführen wollten. Für einen ernsthaften Reiter kam diese Strecke überhaupt nicht in Frage. Andererseits würde sich ein ernsthafter Reiter auch nicht mit dem Hyde Park abgeben, wo sich jeden Vormittag die feine Gesellschaft von London traf.
    »Wie gesagt, erst muss ich mich umziehen«, sagte Angelica hastig. Sie nahm die Zeitung zur Hand, über der sie zuvor eingenickt war. »Und danach? Also ehrlich, ich habe keine Ahnung. Was macht man hier tagsüber? Einkaufen gehen? Keine Lust. Sich um die Rechnungen kümmern? Hab ich schon erledigt. Besuche? Geht nicht.«
    Mikhail legte seine Zeitung beiseite und schaute seine Schwester ungläubig an.
    »Und wieso, wenn ich fragen darf, kannst du keine Besuche machen? Die Frau des spanischen Botschafters zum Beispiel, mit der hast du dich doch gestern Abend so gut unterhalten, ich habe es selbst gesehen. Oder wie wär’s mit dieser Deutschen …«
    Angelica dachte an ihre kurze Unterhaltung mit Felipa, der Gattin des Botschafters. Eine nette Frau, zugegeben, aber Angelica konnte sich an kein Wort von dem erinnern, was sie gesagt hatte. Sie war in Gedanken zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich nach ihrem Bett und einem guten Buch zu sehnen.
    »Ich habe kaum fünf Minuten mit ihr gesprochen. Und wie heißt es so schön: Eine wohlerzogene junge Dame stattet einer flüchtigen Bekanntschaft nie bereits vormittags einen Besuch ab!«, imitierte Angelica mit ernster Miene die hohe Stimme ihrer Tante. Tante Dewberry war ihre einzige noch lebende Verwandte, und diese genoss ihre monatlichen Besuche, während derer sie Angelica in allen wichtigen

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