01-Unsterblich wie die Nacht-redigiert-25.10.12
abgenutzten Bustier, damit sie noch mehr von ihren prächtigen Brüsten zu sehen bekamen, und kam hüftschwingend und mit einem einladenden Lächeln an ihren Tisch.
»Was darf es sein, die Herren?« Eine Hand an der Hüfte, beäugte sie erst Alexander, dann Kiril. Ihre ganze Haltung verriet, dass sie nichts dagegen hätte, sich selbst zu servieren.
Alexander verschwendete keinen Blick an sie.
»Noch eins.« Er deutete auf sein Glas. Die Kellnerin nickte enttäuscht und machte sich etwas weniger beschwingt davon.
Kiril räusperte sich und fuhr sich mit allen zehn Fingern durch die Locken. Beide trugen dem Anlass entsprechend äußerst einfache Kleidung, doch sah man ihnen den Gentleman an der Nasenspitze an.
»Meinst du nicht, ich sollte mich um ihn kümmern, bevor er Unheil anrichtet?«, fragte Kiril zögernd.
Alexander schaute den jungen Mann an. Er war vor vierzig Jahren zu ihm gekommen, weil er ›seine Schuld abtragen‹ wollte, wie er sagte. Es hatte einen Moment gedauert, bis Alexander klar wurde, dass dies der Junge war, dem er zweihundert Jahre zuvor das Leben gerettet hatte. Kirils Haar war nachgedunkelt, und er trug nun einen Bart, aber seine Augen waren die gleichen wie früher.
Seitdem war ihm sein loyaler Diener nicht mehr von der Seite gewichen.
»Nicht nötig, wir gehen sowieso gleich.«
Kiril schaute sich angewidert um und schüttelte den Kopf. Alexander konnte ihn gut verstehen. Die Kundschaft des Pubs bestand bestenfalls aus Dieben, schlimmstenfalls aus Mördern. Dieser hässliche Glatzkopf mit dem dreckverkrusteten Schädel zum Beispiel. Bevor er hergekommen war, hatte er einen alten Mann zusammengeschlagen und ausgeraubt. Das Opfer hatte nur ein paar armselige Münzen bei sich gehabt, aber der Glatzkopf hatte Spaß daran gehabt, ihn blutig zu prügeln.
»Diese Ratte wird bald rüberkommen«, warnte Kiril und meinte den Hünen in der Ecke, der nun begann, mit einem Messer zu spielen. Alexander hatte ebenfalls seine Gedanken gelesen und wusste, dass dieser Mann ein ganz anderes Kaliber war.
Er nahm einen Schluck von Kirils fadem Bier, um den bitteren Geschmack hinunterzuspülen, den ihm die Gedanken dieses Mannes verursacht hatten. Er hatte sie so rasch wie möglich wieder ausgeblendet. Der Mann war ein Kinderschänder und Mörder; er spielte mit dem Gedanken, später bei einem orange gestrichenen Häuschen vorbeizuschauen, in dem er ein fünfjähriges Mädchen mit besonders süßen blonden Locken entdeckt hatte.
»Bitte sehr, der Herr.« Die Kellnerin stellte das Glas auf den wackeligen Tisch und versuchte es noch einmal mit einem einladenden Lächeln.
»Danke.« Alexander nickte und gab ihr so viel Trinkgeld, dass sie ein paar Wochen davon leben konnte.
»Oh … oh, Sir«, stammelte das Mädchen. »Ich … ich dank auch schön, danke der Herr, danke!«
Alexander sah, wie Kiril sich versteifte, und er wusste, die Unannehmlichkeiten der Nacht waren noch nicht vorüber.
»Was haben wir denn da, Molly? Hat dich der Herr beleidigt?« Der Hüne tauchte an ihrem Tisch auf und entriss der Kellnerin das Geld.
»John, bitte!«, protestierte Molly ängstlich.
Alexander verfolgte das Geschehen mit schmalen Augen. John war offenbar ein derart geschätzter Stammgast, dass er sich solche Übergriffe erlauben konnte. Alexander hielt sich zwar gern im Hintergrund, aber nun intervenierte er im Interesse der Kellnerin.
»Gib ihr das Geld zurück und verschwinde.«
John grunzte. »Bestimmt nicht. Du hast unsere Molly beleidigt, und das werd ich dir heimzahlen!«
Kiril machte Anstalten, sich zu erheben, aber Alexander hielt ihn zurück. John verließ sich offenbar ganz auf die einschüchternde Wirkung seiner Statur und seiner Muskeln. Zu schade, dass er neben all seinen anderen Eigenschaften auch noch ein ausgesprochener Dickschädel war. Alexander freute sich nicht wirklich darauf, ihm eine Lektion erteilen zu müssen.
»Ich sag es nicht noch einmal: Gib ihr das Geld zurück und verzieh dich in deine Ecke.«
John lachte höhnisch und nickte einigen seiner Kumpane zu. Diese erhoben sich grinsend und kamen mit wiegenden Schritten, die Hände in den Hosentaschen, näher.
»Bitte, John, lass sie in Ruhe!«, kreischte Molly, doch Alexander hatte sich bereits erhoben. Er schob seinen Stuhl mit einem Krachen zurück, das selbst die Schläfer im ersten Stock wecken musste.
Während er darauf wartete, dass der Angriff endlich erfolgte, fragte er sich, wieso er sich überhaupt die Mühe
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