01 - Wie Feuer im Blut
Haus
werfen würde. Randolf hat mir das genau an dem Tag, als er sich auf der Jagd
mit seinem eigenen Gewehr erschoss, angedroht. Wahrscheinlich hätte ich ihn
retten können. Ich habe den Unfall vom anderen Flussufer aus beobachtet. Aber
als er auf mich zu kroch und mich um Hilfe anbettelte, hatte ich nur den einen
Gedanken: Endlich bist du frei. Jetzt gehört alles Damien. Er wird nach Hause
kommen.«
In diesem
Moment stürzte sich Richard auf sie, die blutigen Finger wie Krallen gekrümmt.
Sein Gesicht, das sie so lieb gewonnen hatte, war zu einer Fratze verzerrt. Es
war das Gesicht eines Wahnsinnigen. Bonnie schrie, als sich seine Finger in
ihren Mantel krallten: »Damien weiß Bescheid, Richard. Er weiß, dass Sie
meinen Vater umgebracht haben.«
Er
erstarrte mitten in der Bewegung.
»Wenn
er meine Leiche findet, weiß er, wer mich umgebracht hat. Er - er wird
Ihnen niemals verzeihen. Niemals!«
»Lügnerin!«
Er schlug ihr mit voller Wucht ins Gesicht. Ein rasender Schmerz durchzuckte
sie, und ihr wurde schwarz vor Augen. Sie ruderte hilflos mit den Armen, als
sie spürte, dass er sie hochhob und die Treppe hinaufschleppte.
»Nein!«
schrie sie immer wieder. »Er weiß es! Er weiß es! Er wird Sie niemals
ungeschoren davonkommen lassen!«
Ein
kalter Windstoß traf ihr Gesicht. Hagelkörner prasselten auf ihre Haut, als
sie das obere Ende der schmalen Treppe erreichten. Der Wind heulte über die
Mauer, riss an ihren Haaren und an ihren Kleidern, während Richard sich bemühte,
sie über die Brüstung zu stoßen.
Sie
nahm ihre ganze Kraft zusammen und trommelte mit beiden Fäusten gegen seine
Brust. Sie kam der Brüstung immer näher, ihre Beine hingen schon über den
Rand. Sie schwor sich, dass sie ihn mitnehmen würde, wenn sie abstürzte. Sie
krallte sich an seinem Mantel fest und ...
Ein
Wutgeheul zerriss die Luft. Damien packte Richard an den Schultern und riss ihn
von ihr weg. Bonnie sank auf die Knie und kauerte auf dem Boden. Richard und
Damien rangen erbittert miteinander.
Richard
schleuderte Damien so heftig gegen die Mauer, dass er einen Moment lang betäubt
zu sein schien. Bonnie schrie laut auf, als Richard herumwirbelte und Damien
ein zweites Mal gegen die Treppenwand warf und seine Hände um Damiens Hals
krallte.
Damien
versuchte vergeblich, die Hände seines Onkels von seinem Hals zu lösen. Richard
stieß ihn immer wieder gegen die Mauer, während sich Damien bemühte, ihn von
sich wegzudrücken. Richard hatte endgültig den Verstand verloren und wußte
nicht mehr, was er tat.
Damien
bäumte sich ein letztes Mal auf und warf sich mit seinem ganzen Gewicht gegen
seinen Onkel. Sie stürzten beide zu Boden und kämpften.
Bonnie
warf sich auf Richards Rücken, fuhr ihm mit ihren Fingernägeln durchs Gesicht
und zog ihn von Damien fort. Richard heulte vor Schmerz und Wut, schleuderte
Bonnie von sich und taumelte mit erhobenen Fäusten auf sie zu.
»Nein«,
keuchte Damien. »Um Gottes willen, Richard ... !«
Plötzlich
stand Miles auf der Treppe. Sein Gesicht war blutüberströmt und
schmerzverzerrt. Er stürzte sich auf Richard und drückte ihn zu Boden. Sie
rangen miteinander, kamen beide auf die Füße und gingen wieder aufeinander los.
Im nächsten Moment verloren beide die Balance und wankten auf den Abgrund zu.
Damien reagierte schnell. Er Wrang vor und hielt Miles fest.
Ein
entsetzliches Stöhnen kam über Richards Lippen. Einen flüchtigen Augenblick
war er wieder bei Verstand - und dann verschwand er in der dunklen Tiefe
des Treppenschachts. Sein verzweifelter Schrei gellte durch den Nebel.
Erleichterung
überkam Damien. Er fühlte sich von einer schweren Bürde befreit, die monatelang
auf seiner Seele gelastet hatte. Er sah sich nach Bonnie um.
Sie
kauerte auf dem Boden, die Fäuste gegen den Mund gepresst. Ihr langes schwarzes
Haar flatterte im Wind, und ihr Gesicht war so blass wie der Mond.
Damien
setzte sich an die Turmwand, zog die Knie an und vergrub sein Gesicht in den
Händen. Er brachte es nicht fertig, Bonnie in die Augen zu sehen. Wenn sie ihn
jetzt fortschickte, würde er Richard freiwillig in den Tod folgen.
Plötzlich
spürte er eine Berührung. Er hob den Kopf. Bonnies Gesicht war dicht vor
seinem, ihre Finger legten sich sacht auf seine Schultern. Furcht und
Erschöpfung sprachen aus ihren Augen, aber keine Feindseligkeit.
»Du wusstest
es«, hauchte sie.
»Ja.«
Da
blitzte ein Rest ihres alten Zornes in ihren Augen auf. Ihre Brust hob und
senkte sich
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