01 - Winnetou I
holte zum Stoße gegen meine Brust aus, zu einem Stoße, der mir die ganze Klinge in das Herz getrieben hätte. Ich brachte nur eine ganz geringe Körperwendung fertig; das Messer fuhr in meine linke Brusttasche, traf dort die schon erwähnte Sardinenbüchse, in welcher ich meine Papiere verwahrte, glitt an dem Bleche derselben ab und drang mir oberhalb des Halses und innerhalb der Kinnlade in den Mund und durch die Zunge. Dann zog er es wieder heraus und holte, mich mit der linken Hand an der Gurgel packend, zum zweiten Stoße aus. Die Todesangst verdoppelte die Kräfte; ich konnte nur eine Hand, einen Arm gebrauchen, und er lag von seitwärts her auf mir; es gelang mir eine weitere Wendung; ich faßte seine rechte Hand und preßte diese so zusammen, daß er das Messer vor Schmerz fallen lassen mußte; dann nahm ich schnell seinen linken Arm beim Ellenbogen und drückte ihn so nach oben, daß er, wenn er ihn nicht brechen wollte, die Hand von meinem Halse lassen mußte. Nun zog ich die Knie an und schnellte mich mit aller Gewalt empor; er wurde abgeschleudert, so daß er mit dem Vorderleibe die Erde berührte. Im nächsten Augenblicke lag ich ihm so auf dem Rücken, wie er vorher auf dem meinigen gelegen hatte.
Jetzt galt es, ihn niederzuhalten, denn wenn er wieder aufkam, war ich verloren. Ein Knie ihm quer über die beiden Oberschenkel und das andere auf den einen Arm setzend, nahm ich ihn mit der einen brauchbaren Hand beim Genick, während er mit seiner andern, freien Hand nach dem entfallenen Messer suchte, glücklicherweise vergeblich. Nun gab es ein wahrhaft satanisches Ringen zwischen uns. Man denke, Winnetou, der nie besiegt worden war und später auch nie wieder besiegt worden ist, mit seiner schlangenglatten Geschmeidigkeit, den eisernen Muskeln und stählernen Flechsen. Jetzt hätte ich Zeit zum Sprechen gehabt; einige Worte hätten zur Aufklärung genügt; aber das Blut schoß mir in Strömen aus dem Munde, und als ich mit der durchstochenen Zunge zu sprechen versuchte, brachte ich nur ein unverständliches Lallen hervor. Er wendete alle seine Kraft an, mich abzuwerfen, und ich lag auf ihm wie ein Alp, der nicht abzuschütteln ist. Er begann zu keuchen und keuchte immer stärker; ich preßte ihm mit den Fingerspitzen den Kehlkopf so fest nach innen, daß ihm der Atem ausging. Sollte er ersticken? Nein, auf keinen Fall! Ich gab also für einen Augenblick seinen Hals frei, worauf er sofort den Kopf hob; das brachte diesen für meine Absicht in die richtige Stellung – – – zwei, drei rasch aufeinander folgende Faustschläge, und Winnetou war betäubt; ich hatte ihn, den Unbesieglichen, besiegt. Denn daß ich ihn schon einmal niedergeschlagen hatte, das war kein Sieg zu nennen, weil kein Kampf vorangegangen war.
Ich holte tief, tief Atem, wobei ich mich in acht nehmen mußte, nicht das Blut zu verschlucken, welches mir den Mund füllte, so daß ich ihn offenhalten mußte, damit es Abfluß fand; auch aus der äußeren Mundöffnung floß es in einem beinahe fingerstarken Strahl. Eben wollte ich mich vom Boden erheben, da hörte ich einen zornigen indianischen Ruf hinter mir und bekam einen Kolbenhieb gegen den Kopf, der mich besinnungslos niederstreckte.
Als ich wieder zu mir kam, war es Abend; so lange hatte ich ohne Besinnung gelegen. Zunächst war es mir wie im Traume: Ich war in das tiefe Mauerlager eines Mühlrades gestürzt. Die Mühle ging nicht, weil sich das Rad nicht bewegen konnte, da ich zwischen ihm und der Mauer steckte. Das Wasser rauschte über mir herab, und die Kraft, mit welcher es auf das Rad wirkte, preßte mich fester und fester zusammen, daß ich glaubte, ich würde zermalmt. Alle meine Glieder schmerzten, besonders aber der Kopf und die eine Schulter. Nach und nach erkannte ich, daß dies nicht Wirklichkeit, aber auch nicht Traum war. Das Rauschen und Brausen kam nicht vom Wasser; es wohnte in meinem Kopfe und war die Folge des Kolbenhiebes, welcher mich niedergeworfen hatte. Und die Schmerzen in der Schulter wurden nicht durch ein Mühlrad verursacht, welches mich zusammenpreßte, sondern durch den Hieb, den ich von Winnetou bekommen hatte. Das Blut lief mir noch immer aus dem Mund; es wollte mir in die Kehle dringen und mich ersticken; ich hörte ein fürchterliches Röcheln und Gurgeln und erwachte vollends. Derjenige, der so geröchelt hatte, war ich selbst.
„Er bewegt sich! Gott sei Dank, er bewegt sich!“ hörte ich Sams Stimme rufen.
„Ja, ich habe es auch
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