01 - Winnetou I
Gegenwehr ergeben, aber eure Krieger hörten nicht auf das, was wir sagten. Sie fielen so über uns her, daß wir uns verteidigen mußten. Aber frage die Betreffenden, ob wir sie auch nur verwundet haben, obgleich wir sie töten konnten. Wir sind vielmehr, um keinen von ihnen verletzen zu müssen, geflohen. Da kamst du und griffst mich auch an, ohne auf meine Worte zu achten. Ich mußte mich wehren und hätte dich erstechen oder erschießen können, aber ich schlug dich nur nieder, weil ich dein Freund bin und dich schonen wollte. Da kam Tangua, der Häuptling der Kiowas, und wollte dir den Skalp nehmen; weil ich dies nicht zugab, kämpfte er mit mir, doch ich besiegte ihn. Ich habe dir also nicht nur das Leben, sondern auch den Skalp erhalten. Dann als – – –“
„Dieser verfluchte Coyote lügt, als ob er hundert verschiedene Zungen hätte!“ schrie Tangua wütend.
„Ist es wirklich Lüge?“ fragte ihn Winnetou.
„Ja. Mein roter Bruder Winnetou zweifelt hoffentlich nicht an der Wahrheit meiner Worte?“
„Ich kam dazu. Du lagst unbeweglich und mein Vater auch. Das stimmt. Old Shatterhand mag fortfahren!“
„Also, ich hatte Tangua besiegt, um Intschu tschuna zu retten; da kam Winnetou. Ich sah ihn nicht und erhielt von ihm einen Kolbenschlag, der aber nicht meinen Kopf traf. Winnetou stach mir in den Mund und durch die Zunge; ich konnte also nicht sprechen, sonst hätte ich gesagt, daß ich ihn lieb habe und sein Freund und Bruder sein möchte. Ich war verwundet und am Arm gelähmt; ich habe ihn trotzdem besiegt; er lag betäubt vor mir, grad so wie Intschu tschuna auch; ich konnte beide töten. Habe ich es getan?“
„Du hättest es noch getan“, antwortete Intschu tschuna; „aber ein Apachenkrieger kam und schlug dich mit dem Kolben nieder.“
„Nein, ich hätte es nicht getan. Sind nicht diese drei Bleichgesichter, welche hier mit mir angebunden sind, freiwillig zu euch gekommen, um sich euch auszuliefern? Hätten sie dies getan, wenn sie euch als Feinde betrachtet hätten?“
„Sie haben es getan, weil sie einsahen, daß sie nicht entkommen konnten. Da hielten sie es für klüger, sich freiwillig zu ergeben. Ich gebe zu, daß an deinen Worten etwas ist, was beinahe Glauben erwecken könnte; aber als du meinen Sohn Winnetou zum erstenmal betäubtest, warst du nicht dazu gezwungen.“
„O doch.“
„Durch wen?“
„Durch die Vorsicht. Wir wollten dich und ihn retten. Ihr seid sehr tapfere Krieger; ihr hättet euch ganz gewiß gewehrt und wäret dann verwundet oder gar getötet worden. Das wollten wir verhindern; darum schlug ich Winnetou nieder, und du wurdest von meinen drei weißen Freunden überwältigt. Ich hoffe, daß du meinen Worten nun Glauben schenkst.“
„Lüge sind sie, nichts als Lüge!“ schrie Tangua. „Ich kam eben dazu, als er dich niedergeschlagen hatte. Nicht ich, sondern er war es, der dir den Skalp nehmen wollte. Ich wollte ihn daran hindern, da traf mich seine Hand, in welcher der große, böse Geist zu wohnen scheint, denn ihr kann niemand, selbst der stärkste Mann nicht, widerstehen.“
Da wendete ich mich ihm wieder zu und sagte in drohendem Ton: „Ja, ihr kann niemand widerstehen. Ich wende sie nur an, weil ich nicht das Blut eines Menschen vergießen will; aber wenn ich wieder mit dir kämpfe, werde ich es nicht mit der Hand, sondern mit der Waffe tun, und dann kommst du nicht mit einer bloßen Betäubung weg. Das merke dir!“
„Du mit mir kämpfen?“ hohnlachte er. „Wir werden dich verbrennen und deine Asche in alle Winde zerstreuen!“
„Das denke nicht. Ich werde eher frei sein, als du ahnst, und dann Rechenschaft von dir fordern!“
„Die kannst du bekommen; ich gebe sie dir. Ich wünsche, deine Worte könnten in Erfüllung gehen. Ich würde dann gern mit dir kämpfen, denn ich weiß, daß ich dich zermalmen würde.“
Intschu tschuna machte diesem Intermezzo ein Ende, indem er zu mir sagte:
„Old Shatterhand ist sehr kühn, wenn er glaubt freizukommen. Er mag bedenken, wieviel Fälle gegen ihn vorliegen; wenn auch einer derselben aufgegeben würde, so könnte das an seinem Schicksal nichts ändern. Er hat nur Behauptungen ausgesprochen, aber keine Beweise erbracht.“
„Habe ich nicht Rattler niedergeschlagen, als er auf Winnetou schoß und Klekih-petra traf? Ist auch das kein Beweis?“
„Nein. Du kannst dies auch aus anderen Gründen getan haben. Hast du noch etwas zu sagen?“
„Jetzt nicht; vielleicht
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