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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der englische Ausruf bewies, vielleicht gar Santer selbst, weil sich außer diesem kein anderes Bleichgesicht bei den Kiowas befand. Ich mußte ihm unbedingt nach, trotz der Dunkelheit nach!
    „Setzt euch wieder nieder und wartet, bis ich zurückkehre!“ gebot ich meinen Leuten und rannte fort.
    Welche Richtung ich einzuschlagen hatte, darüber gab es keinen Zweifel; natürlich hinaus nach der Prärie zu, wo sich die Kiowas befanden; der Lauscher ging zu ihnen, nirgends woanders hin.
    Es galt, seine Flucht zu verlangsamen; wollte ich dies erreichen, so mußte ich ihn ängstlich machen. Ich rief ihm also zu:
    „Halt, bleib stehen, sonst schieße ich!“
    Und einige Sekunden später gab ich zur Bekräftigung dieser Drohung zwei Revolverschüsse ab. Dies war kein Fehler, weil unsere Anwesenheit nun doch einmal verraten war. Jetzt konnte ich annehmen, daß der Flüchtling aus Angst vor mir tiefer in den Wald eindringen werde, wo sich seine Flucht verzögern mußte, weil es dort nun völlig dunkel war. Ich hingegen, der ihm zuvorkommen wollte, sprang nach dem Waldesrand, wo ich noch sehen konnte, und eilte an demselben hin. Ich wollte in dieser Weise das ganze Tal hinab, bis es auf die Prärie mündete, und mich dort verstecken. Wenn der Mann dann kam, mußte er an mir vorüber, und ich konnte ihn fassen.
    Dieser Plan war wohl ganz gut, konnte aber nicht zur Ausführung kommen, denn eben als ich einer Krümmung des Tales folgen wollte und um eine vorstehende Baumgruppe bog, sah ich Menschen und Pferde vor mir und konnte es kaum ermöglichen, mich noch rechtzeitig wieder nach rückwärts zu werfen und unter die Bäume zu schlüpfen.
    Die Kiowas hatten hier hinter den Büschen ihr Lager aufgeschlagen, warum, das war gar nicht schwer zu erraten.
    Erst hatten sie draußen auf der Prärie Halt gemacht und einen Kundschafter ausgesandt. Dieser hatte gar keine schwierige Arbeit zu verrichten, wie ich bald erfuhr. Santer war nämlich, weil er die Örtlichkeit schon kannte, den Indianern weit vorausgeritten, um die Gegend nach uns zu durchspähen und ihnen gleich bei ihrer Ankunft Nachricht zu geben; er war aber, als sie kamen, noch nicht wieder da, und so schickten sie einen roten Späher aus, welcher nur seiner Spur zu folgen brauchte und keine Gefahr zu fürchten hatte, weil im Fall einer solchen Santer jedenfalls zurückgekehrt wäre, um die Indianer zu warnen. Der Kundschafter schritt also in das Tal hinein, so weit es ihm gutdünkte, fand keinen Feind und ging wieder zurück, um dies zu melden. Da das Tal für die Nacht einen bessern Aufenthalt bot als die freie Prärie, so entschlossen sich die Kiowas, die letztere zu verlassen und das erstere aufzusuchen. Santer konnte sie nicht umgehen, sondern er mußte sie finden, sobald er vorüber kam, obgleich sie aus Vorsicht keine Feuer brennen durften.
    Nun war es gewiß, daß wir sie heut nicht in unsere Hände bekommen konnten, wahrscheinlich auch morgen nicht, wenn Santer so klug gewesen war, unsern Plan zu erraten. Was war zu tun? Sollte ich an meinen Posten zurückkehren und auf demselben warten, ob die Kiowas morgen früh doch in die Falle gehen würden? Oder sollte ich Winnetou aufsuchen, ihm meine Entdeckung mitteilen und ihn um andere Verhaltungsmaßregelen bitten? Es gab noch ein drittes, was ich tun konnte; aber dies war gefährlich für mich, nämlich hierbleiben. Es war jedenfalls von großem Wert für uns, zu erfahren, was die Roten beschließen würden, nachdem sie von Santer über das, was er gesehen hatte, unterrichtet worden waren. Wenn ich sie belauschen konnte! Aber ich riskierte viel, sehr viel, sogar alles dabei. Santer sagte jedenfalls, daß ich hinter ihm her sei, und das konnte, ja es mußte beinahe zu meiner Entdeckung führen. Dennoch beschloß ich, es zu wagen, falls nur irgend eine Möglichkeit des Gelingens abzusehen sei. Sie brannten kein Feuer, um nicht bemerkt zu werden; dieser Umstand, der sie schützte, mußte auch mir Schutz gewähren.
    Unter den Bäumen lagen hohe Steinblöcke, mit Moos bewachsen und von Farnkräutern umgeben; vielleicht konnte ich mich hinter einem solchen verbergen.
    Die Mehrzahl der Roten war noch mit den Pferden beschäftigt, welche angepflockt wurden, damit sie sich nicht entfernen und das Lager verraten könnten; die übrigen hatten sich am Waldesrand niedergesetzt oder -gelegt. An einer Stelle desselben ertönte eine halblaute, befehlende Stimme; dort stand also der Anführer, und ich durfte vermuten, daß er diesen

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