01 - Winnetou I
Punkt auch später beibehalten werde. Dorthin mußte ich, wenn es nur halbwegs möglich war!
Auf dem Boden liegend, schob ich mich in dieser Richtung fort. Nach Deckung brauchte ich nicht sehr zu suchen, denn es war rundum dunkel, und die Roten befanden sich meist jenseits der Stelle, welche ich erreichen wollte. Entdeckt konnte ich für jetzt nur in dem Fall werden, daß einer mir in den Weg kam und über mich stolperte. Glücklicherweise geschah dies nicht, und ich gelangte glücklich an mein Ziel. Da lagen zwei Felsblöcke nebeneinander, der eine lang und hoch, der andere niedriger; da oben suchte man gewiß keinen Horcher; ich stieg vom niedrigen auf den hohen und streckte mich auf demselben lang aus. Ich lag über zwei Meter hoch in ziemlicher Sicherheit, denn es war wohl kein Grund vorhanden, welcher einen Roten veranlassen konnte, mir nachzusteigen.
Die bis jetzt mit ihren Pferden beschäftigten Indianer kamen nun auch herbei und setzten oder legten sich nieder. Da, wo ich den Anführer vermutete, wurden einige halblaute Befehle gegeben, welche ich nicht verstand, weil mir die Sprache der Kiowas fremd war. Hierauf entfernten sich einige Rote. Sie waren jedenfalls die Wachen, welche ausgestellt wurden. Ich bemerkte, daß sie nur die Talseite des Lagers, nicht aber auch den Wald besetzten, und dies war ein glücklicher Umstand für mich, weil ich mich später entfernen konnte, ohne befürchten zu müssen, auf Vorposten zu stoßen.
Die Lagernden sprachen miteinander, zwar in gedämpftem Ton, doch immerhin so, daß ich jedes Wort hörten konnte. Leider aber verstand ich es nicht. Wie vorteilhaft wäre es gewesen, wenn ich hätte erfahren können, was sie sagten! Wie oft muß ich erzählen, daß während meiner Streifzüge im Westen Indianer ganz verschiedener Stämme und auf meinen Reisen in andern Ländern wiederholt Lagerplätze angeschlichen und die dort befindlichen Menschen belauscht habe. Dieser Angewohnheit verdanke ich viele meiner Erfolge, oft sogar auch das Leben. Wer es liest, denkt wohl nicht daran oder hat keinen Begriff davon, wie schwer und wie gefährlich ein solches Anschleichen ist. Und diese Schwierigkeit bezieht sich nicht nur auf die Anforderungen, welche dabei der körperlichen Gewandtheit, Kraft und Ausdauer gemacht werden, sondern auch und vor allen Dingen auf das geistige Geübtsein, auf die unerläßliche Intelligenz und die Kenntnisse, welche man besitzen muß. Was nützt es mir, wenn ich ein Indianer-, Beduinen- oder Kurdenlager, eine sudanesische Seribah oder eine südamerikanische Gauchostätte noch so meisterhaft zu beschleichen verstehe, aber der betreffenden Sprache nicht mächtig bin und also nicht erfahren kann, was gesprochen wird! Und meist ist grad der Inhalt der Gespräche viel wichtiger als alles andere, was man dabei erfährt. Darum ist es stets mein erstes Bestreben gewesen, die Sprache der Menschen, mit denen ich es zu tun bekam, kennenzulernen. Winnetou beherrschte sechzehn Indianerdialekte und ist auch hierin mein hervorragendster Lehrer gewesen. Es ist mir später niemals vorgekommen, daß ich einen Lagerplatz beschlich, ohne zu verstehen, was auf demselben gesprochen wurde.
Ich mochte ungefähr zehn Minuten auf dem Stein gelegen haben, als ich einen Posten rufen hörte; darauf erfolgte die für mich sehr erwünschte Antwort:
„Ich bin es, Santer. Ihr seid also herein in das Tal gekommen?“
„Ja. Mein weißer Bruder mag weitergehen; er wird die roten Krieger sogleich sehen.“
Diese Worte konnte ich verstehen, weil mit Santer in dem aus indianischen und englischen Worten bestehenden Jargon, den ich nun auch kannte, gesprochen werden mußte. Er kam herbei; der Anführer rief ihn zu sich und sagte:
„Mein weißer Bruder ist viel länger fortgewesen, als vorher bestimmt worden war. Er wird wichtige Gründe dazu gehabt haben.“
„Wichtiger, als ihr ahnen könnt. Seit wann befindet ihr euch hier?“
„Seit nicht ganz der Zeit, welche die Bleichgesichter eine halbe Stunde nennen.“
„Ihr habt mein Pferd getroffen?“
„Ja, denn wir sind ja deiner Spur gefolgt. Da, wo du es angebunden hattest, machten wir Halt, und als wir dann hierher ritten, haben wir es mitgenommen.“
„Ihr hättet draußen auf der Prärie bleiben sollen! Es ist hier nicht geheuer.“
„Wir blieben nicht dort, weil es sich hier besser lagert und weil wir glaubten, daß hier keine Gefahr zu befürchten sei; du wärest sonst ja schnell zurückgekommen, um uns zu warnen.“
„Es
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