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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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so erreicht er bald die Stelle, an welcher wir unsere Pferde zurückließen; der fernere Weg ist ihm bekannt. Er darf aber nicht im offenen Tal gehen, sondern muß an der Seite desselben im Wald verborgen bleiben. Old Shatterhand steckt also hüben im Wald, wo jenseits drüben unsere Schlucht nach oben führt. Er wird den feindlichen Späher bemerken, ihm aber nicht hinderlich sein. Dann wird er die Feinde kommen sehen und sie in die Schlucht eindringen lassen.“
    „Das also ist dein Plan“, führte ich seine Rede fort. „Du bleibst hier, um den Ausgang der Falle besetzt zu halten, und ich kehre auf dem Umweg, den du mir jetzt beschrieben hast, nach dem Fuß des Nugget-tsil zurück, um die Feinde zu erwarten und ihnen heimlich zu folgen, bis sie hier in die Falle eingedrungen sind?“
    „Ja, so meine ich es. Wenn mein Bruder Old Shatterhand keinen Fehler begeht, so wird uns der Fang ganz gewiß gelingen.“
    „Ich werde so vorsichtig wie möglich sein. Hat Winnetou mir noch weitere Winke zu erteilen?“
    „Nein. Ich überlasse alles weitere dir.“
    „Wer verhandelt mit den Kiowas, wenn es uns gelungen ist, sie einzuschließen?“
    „Ich. Old Shatterhand hat nichts zu tun, als sie nicht aus der Felsenschlucht zu lassen, wenn sie mich und meine Krieger bemerken und dann umkehren wollen. Aber sputet euch! Der Nachmittag ist fast vorüber, und die Kiowas werden nicht bis morgen warten, uns zu folgen, sondern dies noch heut, bevor es dunkel wird, tun wollen.“
    Die Sonne hatte ihren Tagesbogen allerdings schon fast vollendet, und der Abend war in nicht viel über einer Stunde zu erwarten. Ich machte mich also mit Dick, Will und den mir zugeteilten Apachen auf den Weg, zu Fuß, wie sich ganz von selbst versteht.
    Nach einer kleinen Viertelstunde sahen wir die Birke stehen und drangen in den Wald ein. Wir fanden die Gegend genau so, wie Winnetou sie beschrieben hatte, und erreichten jenseits unser Tal und in demselben die Stelle, wo unsere Pferde geweidet hatten. Uns gegenüber öffnete sich die Seitenschlucht, welche hinauf nach der Lichtung und den beiden Gräbern führte.
    Da, wo wir uns unter den Bäumen niedersetzten, konnten wir die Kiowas kommen sehen – wenn sie überhaupt kamen, hatten aber nicht zu befürchten, von ihnen bemerkt zu werden, denn es war ja anzunehmen, daß sie nicht herüber nach unserer Seite kommen, sondern drüben der Seitenschlucht folgen würden.
    Die Apachen verhielten sich schweigsam; Stone und Parker sprachen leise miteinander. Wie ich hörte, waren sie überzeugt, daß die Kiowas, und mit ihnen Santer, in unsere Hände fallen würden. Ich war dieser Sache nicht so sicher wie sie. Wir hatten nun höchstens noch zwanzig Minuten Tag, und die Kiowas kamen noch nicht; ich glaubte also, daß erst der nächste Morgen die Entscheidung bringen werde, zumal von dem Späher, den die Feinde nach dem Tal geschickt hatten, auch nichts zu sehen war. Bei uns unter den Bäumen wurde es schon dunkel.
    Das Flüstern zwischen Parker und Stone hatte aufgehört; ein Luftzug strich über die Wipfel und verursachte jenes monotone Rauschen, welches eigentlich kein Rauschen, sondern besser ein ununterbrochener, leise und tief klingender Hauch zu nennen ist, von welchem man jedes andere, noch so unbedeutende Geräusch leicht zu unterscheiden vermag. So auch jetzt. Es war mir, als ob etwas hinter mir auf dem weichen Waldboden hinstreife. Ich horchte schärfer; ja, es bewegte sich etwas. Was war es? Ein vierfüßiges Tier hätte sich nicht so nahe zu uns herangewagt. Ein Reptil? Nein, auch nicht. Ich drehte mich schnell um und legte mich nieder, um von unten herauf besser sehen zu können. Dies geschah noch zur rechten Zeit, um mich einen dunklen Gegenstand bemerken zu lassen, welcher wohl hinter mir gelegen hatte und nun zwischen den Bäumen fortschlüpfte. Ich sprang auf und eilte ihm nach. Wie einen dunklen Schlag- im hellem Halbschatten sah ich ihn vor mir und griff zu, wobei ich ein Stück Zeug in die Hand bekam.
    „Away!“ rief eine erschrockene Stimme, und das Zeug wurde mir aus der Hand gerissen. Der Schatten war nicht mehr zu sehen; ich blieb stehen und horchte, um ihn wenigstens zu hören. Aber meine Gefährten hatten meine schnellen Bewegungen bemerkt und den Ausruf vernommen. Sie sprangen auf und fragten mich, was es gebe.
    „Still, seid still!“ antwortete ich und lauschte von neuem. Es war nichts zu hören.
    Es war ein Mensch gewesen, welcher uns belauscht hatte, und zwar ein Weißer, wie

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