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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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soll.“
    Diese Prophezeiung bestätigte sich nach nicht ganz zwei Stunden. Es kam eine Reiterschar drüben am Fluß herunter, setzte sich auf die Fährte und jagte dann auf derselben fort. Daß diese Kiowas Winnetou einholen würden, war nicht zu befürchten, da er wenigstens dieselbe Schnelligkeit wie sie zu entwickeln hatte.
    Es ist selbstverständlich, daß wir drei leise gesprochen hatten; die Gefangenen brauchten nicht zu hören, was wir einander sagten. Sie hatten auch nicht gesehen, was am Ufer geschah, denn sie lagen gebunden hinter Sträuchern im Gras.
    Am Vormittag machte die Sonne uns die Freude, recht warm auf uns herabzuscheinen; das machte nicht nur unsern Lagerplatz, sondern auch uns selbst trocken, und erhöhte die Behaglichkeit, mit welcher wir uns bis zum Abend der Ruhe hingaben.
    Kurz nach Mittag sahen wir einen Gegenstand geschwommen kommen, welcher seine Richtung nach der Insel nahm und von dem nieder in das Wasser hängenden Gesträuch derselben festgehalten wurde. Es war ein Kanu, in welchem ein Paddelruder lag; der Riemen, mit welchem es der Besitzer anzubinden pflegte, war abgeschnitten. Es war also das Kanu, in welchem ich Pida entführt hatte; es war aus dem Salt Fork in den Red River getrieben und wohl nur deshalb so spät zur Insel gekommen, weil es unterwegs auch irgendwo hängen geblieben war. Da es mir sehr willkommen kam, zog ich es auf die Insel, um mich am Abend seiner zu bedienen; ich brauchte mich da nicht durch das Überschwimmen des Flusses wieder zu durchnässen.
    Sobald es dunkel geworden war, schob ich das Boot wieder in das Wasser und ruderte mich flußauf; Stone und Parker gaben mir ihre besten Wünsche mit. Ich sagte ihnen, daß sie sich erst dann um mich beunruhigen sollten, wenn ich am nächsten Morgen nicht zurückgekehrt sein würde.
    Es ging langsam gegen den Strom, so daß ich erst nach einer Stunde aus dem Red River in den Salt Fork lenkte. Als ich in der Nähe des Dorfes angekommen war, ruderte ich mich an das Ufer und band das Kanu, welches ich mit einem Riemen versehen hatte, an einen Baum.
    Ich sah wieder, wie gestern, die Feuer brennen, die Männer an denselben sitzen und die Frauen geschäftig hin und her laufen. Ich hatte geglaubt, daß das Dorf heut scharf bewacht sein werde, fand aber, daß dies nicht der Fall war. Die Kiowas hatten die Fährte der Apachen gefunden und ihnen Krieger nachgesandt, glaubten sich also in Sicherheit.
    Tangua saß auch heut vor seinem Zelt, hatte aber nur die zwei jüngeren Söhne bei sich. Er hielt den Kopf gesenkt und starrte düster in das Feuer. Ich befand mich heute auf dem linken Ufer des Salt Fork, an welchem das Dorf lag, schlich mich im rechten Winkel von dem Fluß fort und dann hinter den Zelten hinauf, bis dasjenige des Häuptlings vor mir lag. Ich hatte Glück, denn es war kein Mensch in der Nähe, der mich hätte entdecken können. Da legte ich mich auf den Boden nieder und kroch nach der hintern Seite des Zeltes. Dort angekommen, hörte ich den tiefen, monotonen Klagegesang des Häuptlings; er trauerte in dieser indianischen Weise um den Verlust seines Lieblingssohnes. Nun kroch ich um das Zelt, nach der andern Seite, richtete mich auf und stand plötzlich neben dem Häuptling.
    „Warum singt Tangua die Töne der Klage?“ fragte ich. „Ein tapferer Krieger soll doch keinen Laut der Klage hören lassen; das Jammern ist nur für die alten Squaws.“
    Es läßt sich gar nicht beschreiben, wie mein Erscheinen ihn erschreckte. Er wollte sprechen, brachte aber kein Wort heraus; er wollte aufspringen, mußte aber seiner verletzten Knie wegen sitzen bleiben. Er starrte mich mit weit aufgerissenen Augen wie ein Gespenst an und stammelte endlich:
    „Old – – – Old – – – Shat – – – Shat – – – uff, uff, uff! – – – wie kommst – – – wo bist – – – Ihr seid noch da, nicht fort?“
    „Wie du siehst, bin ich noch da. Ich bin gekommen, weil ich mit dir zu reden habe.“
    „Old Shatterhand!“ brachte er endlich meinen Namen ganz heraus.
    Als seine beiden Knaben ihn hörten, flohen sie in das Zelt.
    „Old Shatterhand!“ wiederholte er, noch immer unter dem Eindruck des Schrecks; dann jedoch nahm sein Gesicht den Ausdruck der Wut an, und er schrie, gegen die anderen Zelte gerichtet, irgend einen Befehl, den ich nicht verstand, weil er sich seines Dialektes bediente; doch kam mein Name dabei vor.
    Einen Augenblick später gab es im Dorf ein Wutgeheul, daß ich

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