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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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glaubte, die Erde zittere unter meinen Füßen, und was an Kriegern anwesend war, kam mit geschwungener Waffe auf uns zugerannt. Da zog ich mein Messer und schrie Tangua in das Ohr:
    „Soll Pida erstochen werden? Er schickt mich zu dir!“
    Er verstand meine Worte trotz des Geheuls seiner Leute und erhob die eine Hand. Eine Bewegung derselben genügte, und es trat Stille ein; aber die Kiowas umringten uns. Wenn es nach den Blicken ging, mit welchen sie mich verschlingen zu wollen schienen, so kam ich nicht lebendig von hier fort. Ich setzte mich zu Tangua nieder, sah ihm ruhig in das vor Erstaunen über meine Kühnheit starre Gesicht und sagte:
    „Es herrscht Todfeindschaft zwischen mir und Tangua; ich bin nicht schuld daran, habe aber auch nichts dagegen; mir ist es sehr gleich, ob ich mit meinen Freunden einen seiner Krieger oder seinen ganzen Stamm verderben soll. Ob ich mich vor ihm fürchte, mag er daraus ersehen, daß ich mich jetzt mitten in sein Dorf begeben habe, um mit ihm zu reden. Wir wollen es kurz machen: Pida befindet sich in unsern Händen und wird an einem Baum aufgehängt, wenn ich nicht zur bestimmten Zeit zurückgekehrt bin.“
    Kein Wort, keine Bewegung der rundumstehenden Roten, von denen ich viele erkannte, verriet den Eindruck, welchen meine Worte machten. Die Augen des Häuptlings funkelten vor Wut darüber, daß er mir, ohne das Leben seines Sohnes zu gefährden, nichts anhaben konnte. Er stieß zwischen knirschenden Zähnen die Frage hervor:
    „Wie – – – wie – – – ist er in eure Gewalt geraten?“
    „Ich war gestern dort an der Insel, als er mit Sam Hawkens sprach, und habe ihn niedergeschlagen und mitgenommen.“
    „Uff! Old Shatterhand ist der Liebling des bösen Geistes, der ihn abermals beschützt hat. Wo befindet sich mein Sohn?“
    „An einem sichern Ort, den du jetzt nicht erfahren wirst; er mag ihn dir später selber sagen. Aus diesen meinen letzten Worten wirst du ersehen, daß ich nicht die Absicht habe, Pida zu töten. Wir haben auch noch einen andern Kiowa bei uns, den wir gefangen nahmen; ich zog ihn aus dem Dorngebüsch hervor, in welchem er uns belauschte. Er soll mit deinem Sohn frei sein, wenn du mir Sam Hawkens dafür gibst.“
    „Uff! Du sollst ihn haben. Bring' nur erst Pida und den anderen Kiowakrieger!“
    „Bringen? Fällt mir nicht ein! Ich kenne Tangua und weiß, daß ihm nicht zu trauen ist. Ich gebe zwei für einen, bin also außerordentlich billig und gütig gegen euch. Dafür muß ich fordern, daß ihr euch jeder Hinterlist enthaltet.“
    „Beweise mir vorher, daß Pida wirklich bei euch ist!“
    „Beweisen? Was fällt dir ein! Ich sage es, und so ist es wahr. Old Shatterhand ist kein Tangua. Laß mich Sam Hawkens sehen! Er wird nicht mehr unten auf der Insel sein, wo ihr ihn nicht mehr für sicher haltet. Ich muß mit ihm reden.“
    „Was willst du reden?“
    „Ich will aus seinem Mund wissen, wie es ihm bei euch ergangen ist. Danach wird sich das weitere richten.“
    „Ich muß mich da vorher mit meinen ältesten Kriegern beraten. Entferne dich bis zum nächsten Zelt; dann wirst du erfahren, was wir zu tun gedenken.“
    „Gut! Aber macht es kurz, denn wenn ihr mich aufhaltet und ich nicht zur bestimmten Zeit zurückgekehrt bin, wird Pida aufgehängt.“
    Aufgehängt zu werden, ist der schmachvollste Tod für einen Roten. Man kann sich denken, wie wütend Tangua war! Ich ging zum nächsten Zelt und setzte mich dort nieder, natürlich auch da grad so von Kriegern umringt wie vorher. Tangua rief seine alten Leute zu sich und beriet sich mit ihnen. Es brannte in jedem auf mich gerichteten Auge ein Feuer, welches nur aus Rücksicht auf Pida nicht verderblich wurde. Dabei bemerkte ich freilich auch, daß meine Furchtlosigkeit allgemein imponierte.
    Nach einiger Zeit schickte der Häuptling einen Roten fort; dieser verschwand in einem Zelt und brachte dann meinen kleinen Sam aus demselben geführt. Ich sprang auf und ging ihm entgegen. Als er mich erblickte, rief er jubelnd:
    „Heigh-day, Old Shatterhand! Habe es ja gesagt, daß Ihr unbedingt kommen würdet! Wollt wohl Euern alten Sam wiederhaben?“
    Er hielt mir die gefesselten Hände entgegen, um mich zu begrüßen.
    „Ja“, antwortete ich ihm, „das Greenhorn ist gekommen, um Euch das Zeugnis zu geben, daß Ihr der größte Meister im Anschleichen seid, wie Ihr bewiesen habt. Man mag Euch sagen, was man will, Ihr rennt doch immer nach der verkehrten Seite!“
    „Macht mir Eure

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