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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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brachte, sichtbar werden. Ich war noch keine Viertelstunde am Platz, als ich da unten eine Menge von dunklen Punkten sah, welche sich schnell vergrößerten, indem sie sich aufwärts bewegten. Erst von der Größe von Sperlingen, schienen sie hierauf Katzen, Hunde, Kälber zu sein, bis sie sich so weit genähert hatten, daß ich sie in ihrer wirklichen Größe sah. Es waren die Mustangs, welche im wilden Jagen auf mich zugesprengt kamen.
    Welch einen Anblick boten diese herrlichen Tiere! Die Mähnen wehten um die Hälse, und die Schwänze flogen wie Federbüsche im Wind. Es waren höchstens dreihundert Stück, und doch schien die Erde unter ihren Hufen zu zittern. Ein Schimmelhengst flog allen voran, ein prächtiges Tier, welches man sich hätte fangen mögen, aber es wird keinem Präriejäger einfallen, einen Schimmel zu reiten. So ein helles Tier würde ihn jedem Feind schon von weitem verraten.
    Jetzt war es Zeit, mich ihnen zu zeigen. Ich lenkte unter den Bäumen heraus ins Freie, und die Wirkung trat augenblicklich ein; der führende Schimmel prallte zurück, als ob er eine Kugel in den Leib bekommen habe; die Herde hielt an und stutzte; ein lautes, ängstliches Schnauben, dann hieß es: ganze Schwadron kehrt! und, der Schimmel schnell wieder an der jenseitigen Spitze, jagten die Tiere dahin zurück, woher sie gekommen waren. Ich folgte ihnen langsam; ich hatte keine Eile, denn ich war sicher, daß Sam Hawkens sie mir wieder zutreiben würde. Dabei suchte ich mir einen Umstand zurechtzulegen, welcher mir aufgefallen war. Obgleich nämlich die Pferde nur einen kurzen Augenblick vor mir gehalten hatten, war es mir doch vorgekommen, als ob eins von diesen Tieren kein Pferd, sondern ein Maultier sei. Ich konnte mich zwar irren, aber ich glaubte doch, richtig gesehen zu haben. Beim zweitenmal wollte ich besser aufpassen. Dieses Maultier hatte sich in der vordersten Reihe, und zwar gleich hinter dem Leitschimmel befunden; es war also von den Pferden nicht nur als ihresgleichen anerkannt, sondern es besaß sogar einen Rang unter ihnen.
    Nach einiger Zeit kam die Herde wieder aufwärts und kehrte bei meinem Anblick abermals um. Das wiederholte sich noch einmal, und da sah ich, daß ich mich nicht geirrt hatte; es war ein Maultier unter ihnen, ein ziemlich hellbraunes Maultier mit dunklem Rückenstreifen. Es machte auf mich einen höchst vorteilhaften Eindruck und war trotz des großen Kopfes und der langen Ohren doch ein schönes Tier. Maultiere sind genügsamer als Pferde, haben einen viel sicheren Tritt und schwindeln nicht vor Abgründen. Das sind Vorzüge, welche in die Waage fallen. Freilich sind sie auch störrisch. Ich habe Maultiere gesehen, welche sich lieber totprügeln ließen, als daß sie einen Schritt vorwärts gingen, und doch hatte man ihnen gar nichts aufgeladen, und der Weg war prächtig. Sie wollten eben nicht.
    Es war mir vorgekommen, als ob dieses Maultier viel Feuer zeige, als ob seine Augen heller glänzten und intelligenter blickten als diejenigen der Pferde, und ich nahm mir vor, es zu fangen. Es war jedenfalls seinem Besitzer beim Vorüberjagen einer wilden Pferdeherde entflohen und dann bei den Mustangs geblieben.
    Jetzt brachte Sam den Trupp wieder getrieben. Wir waren einander so nahe gekommen, daß ich ihn sah. Nun konnten die Mustangs weder vor noch zurück; sie brachen nach der Seite aus. Wir folgten ihnen. Die Herde teilte sich, und ich sah, daß das Maultier bei der Hauptabteilung blieb; es jagte jetzt an der Seite des Schimmels dahin; es war ein außerordentlich schnelles und ausdauerndes Tier. Ich hielt mich also zu diesem Trupp, und Sam schien es auch auf denselben abgesehen zu haben.
    „In die Mitte nehmen, ich links, Ihr rechts“, rief er mir zu.
    Wir gaben unsern Pferden die Sporen und hielten nun nicht nur gleichen Schritt mit den Mustangs, sondern kamen ihnen so schnell näher, daß wir sie eingeholt hatten, noch ehe sie den Wald erreichten. Dahinein gingen sie nicht; sie kehrten also wieder um und wollten zwischen uns durch. Um das zu verhindern, jagten wir schnell aufeinander zu; da stoben sie nach allen Seiten auseinander wie eine Hühnerschar, in welche der Habicht gestoßen ist. Der Schimmel und das Maultier schossen, von den anderen abgesondert, zwischen uns hindurch; wir jagten ihnen nach. Dabei rief mir Sam, der seinen Lasso zum Wurf schon über dem Kopf wirbelte, zu:
    „Wieder Greenhorn! Werdet es auch ewig bleiben!“
    „Warum?“
    „Weil Ihr nach dem Schimmel

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