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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sir, sehr brav. Grad so, wie Ihr denkt und redet, muß jeder Mensch und Christ denken, reden und handeln. Aber wer hat denn gesagt, daß Ihr einem Mustang die Freiheit rauben sollt? Ihr habt Euch im Werfen des Lassos geübt und sollt nur die Probe machen. Ich will sehen, ob Ihr Euer Examen besteht. Verstanden?“
    „Das ist etwas anderes; ja, da mache ich mit.“
    „Schön. Bei mir handelt es sich freilich um den Ernst. Ich brauche ein Pferd und werde mir eins holen. Ich habe es Euch schon oft gesagt und sage es Euch jetzt wieder. Sitzt ja recht fest im Sattel und stemmt Euer Pferd gut ein in dem Augenblick, an welchem sich der Lasso straff zieht und der Ruck erfolgt. Wenn Ihr das nicht tut, werdet Ihr umgerissen, und der Mustang rennt davon und zieht Euer Pferd am Lasso mit sich fort. Dann habt Ihr kein Pferd mehr und seid ein gemeiner Infanterist, so wie ich jetzt einer bin.“
    Er wollte weitersprechen, hielt aber inne und deutete mit der Hand nach den bereits erwähnten beiden Bergen am Nordende der Prärie. Dort erschien ein Pferd, ein einzelnes, lediges Pferd. Es lief langsam und ohne zu grasen vorwärts, warf den Kopf bald auf diese, bald auf jene Seite und sog die Luft durch die Nüstern ein.
    „Seht Ihr es?“ flüsterte Sam. Er sprach vor Erregung nicht laut, sondern leise, obwohl das Pferd uns unmöglich hätte hören können. „Habe ich es nicht gesagt, daß sie kommen! Das ist der Späher, welcher vorausgesprungen ist, um zu sehen, ob die Gegend sicher ist. Ein schlauer Hengst. Wie er nach allen Richtungen äugt und windet! Uns bekommt er nicht weg, denn wir haben den Wind im Gesicht; ich habe deshalb diese Stelle gewählt.“
    Jetzt schlug der Mustang einen Trab ein; er rannte geradeaus, dann nach rechts, hierauf nach links, warf sich schließlich herum und verschwand da, wo wir ihn hatten erscheinen sehen.
    „Habt Ihr ihn beobachtet?“ fragte Sam. „Wie klug er sich benimmt und jeden Busch zur Deckung benutzt hat, um nicht gesehen zu werden! Ein indianischer Späher kann es kaum besser machen.“
    „Das ist richtig. Ich bin ganz erstaunt darüber.“
    „Nun ist er zurück, um seinem vierbeinigen General zu melden, daß die Luft rein ist. Sollen sich aber getäuscht haben, hihihihi! Ich wette, in höchstens zehn Minuten sind sie da; paßt einmal auf. Wißt Ihr, wie wir es machen?“
    „Nun?“
    „Ihr reitet jetzt schnell bis an den Ausgang der Prärie zurück und wartet dort. Ich aber reite bis in die Nähe des Einganges hinunter und verstecke mich dort im Wald. Kommt die Herde, so lasse ich sie vorüber und jage dann hinter ihr her. Sie wird zu Euch hinauf fliehen; dann laßt Ihr Euch sehen, und da flieht sie wieder zurück. So treiben wir sie zwischen uns hin und her, bis wir uns die zwei besten Pferde ausgewählt haben; die fangen wir; ich lese mir da wieder das beste aus, und das andere lassen wir laufen. Seid Ihr einverstanden?“
    „Wie könnt Ihr so fragen! Ich verstehe ja gar nichts von der Pferdejagd, in welcher Ihr jedenfalls ein Meister seid, und habe mich also ganz nach Euren Anordnungen zu verhalten.“
    „Well, habt recht. Habe schon manchen wilden Mustang unter mir gehabt und ihn bezwungen und kann wohl behaupten, daß Ihr mit dem ‚Meister’ nichts Dummes gesagt habt. Also, macht Euch davon, sonst vergeht die Zeit, und wir sind dann nicht an Ort und Stelle.“
    Wir stiegen wieder auf und ritten auseinander, er nordwärts und ich nach Süden, bis dahin, wo wir die Prärie betreten hatten. Da mir mein schwerer Bärentöter bei dem, was wir vorhatten, hinderlich war, hätte ich mich gern einstweilen seiner entledigt; aber ich hatte gelesen und gehört, daß ein vorsichtiger Westmann sich nur dann von seinem Gewehr trennt, wenn er ganz sicher weiß, daß er nichts zu befürchten hat und es also nicht brauchen wird. Dies war aber hier nicht der Fall; es konnte in jedem Augenblick ein Indianer oder gar ein Raubtier erscheinen; darum sorgte ich nur dafür, daß das ‚alte Gun’ fest am Riemen hing und mich nicht schlagen konnte.
    Nun wartete ich mit Spannung auf das Erscheinen der Pferde. Ich hielt zwischen den ersten Bäumen des Waldes, an den die Prärie stieß, band das eine Ende des Lassos, am Sattelknopf fest und legte ihn dann in Schlingen so vor mich hin, daß ich ihn nur zu erfassen brauchte.
    Das untere Ende der Prärie war so weit von mir entfernt, daß ich die Mustangs, wenn sie dort erschienen, nicht sehen konnte. Sie konnten mir erst dann, wenn Sam sie getrieben

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