Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
ganz gewiß nicht eher auf, als bis man nichts mehr hat. Gebt die Tatze her; ich will sie Euch braten. So ein Greenhorn hat nicht den richtigen Verstand dazu. Also paßt hübsch auf, damit Ihr es lernt! Müßte ich Euch eine solche Delikatesse zum zweitenmal braten, so bekämt Ihr nichts davon, denn ich würde sie selber essen.“
    Der gute Sam hatte ganz recht gesagt: kaum hatte ich, als er mit seinem kulinarischen Meisterstück fertig war, den ersten Bissen probiert, so stellte sich der vorhin vermißte Appetit ein; ich vergaß, was mich vorher bedrückt hatte, und aß, aß wirklich so lange, bis ich nichts mehr hatte.
    „Seht Ihr's!“ lachte er mich an. „Es ist wirklich weit angenehmer, einen Grizzlybären zu verspeisen, als ihn zu erlegen; das habt Ihr nun wohl kennengelernt. Jetzt werden wir uns einige tüchtige Stücke aus dem Schinken schneiden, um sie noch heut abend zu braten. Die nehmen wir morgen als Proviant mit, denn auf solchen Kundschaftsritten muß man immer darauf gefaßt sein, daß man keine Zeit findet, ein Wild zu schießen und auch keine Feuer anbrennen darf, um es zu braten. Ihr aber legt Euch auf das Ohr und macht einen schnellen tüchtigen Schlaf, denn wir brechen mit der Morgenröte auf und werden morgen alle Kräfte brauchen.“
    „Well, ich werde also schlafen. Aber vorher sagt mir, welches Pferd Ihr reiten werdet?“
    „Welches Pferd? Gar keines.“
    „Was denn?“
    „Welche Frage! Meint Ihr denn, daß ich mich auf ein Krokodil oder einen anderen sonstigen Vogel setzen werde? Natürlich werde ich mein Maultier, meine neue Mary reiten.“
    „Das würde ich nicht tun.“
    „Warum?“
    „Ihr kennt sie noch zu wenig.“
    „Dafür kennt sie mich ganz genau. Hat gar gewaltigen Respekt vor mir, das Vieh, hihihihi!“
    „Aber bei einem solchen Späherritt, wie wir morgen vorhaben, muß man sehr vorsichtig sein und alles vorher bedacht haben. Ein Pferd, dessen man nicht sicher ist, kann alles verderben.“
    „So? Wirklich?“ lachte er mich an.
    „Ja“, antwortete ich eifrig. „Ich weiß, daß das Schnauben eines Pferdes seinem Reiter das Leben kosten kann.“
    „Ah, das wißt Ihr? Gescheiter Kerl, der Ihr seid! Habt es wohl auch gelesen, Sir?“
    „Ja.“
    „Dachte es mir! Muß doch außerordentlich interessant sein, solche Bücher zu lesen. Wenn ich nicht selbst ein Westmann wäre, würde ich nach Osten ziehen, mich dort recht hübsch behaglich auf ein Kanapee setzen und solche schöne Indianergeschichten lesen. Ich glaube, man kann rund und fett dabei werden, obgleich man die Bärentatzen nur auf dem Papier zu essen bekommt. Möchte wirklich wissen, ob die guten Gentlemen, welche solche Sachen schreiben, einmal über den alten Mississippi herübergekommen sind!“
    „Die meisten von ihnen wahrscheinlich.“
    „So? Denkt Ihr?“
    „Ja.“
    „Glaube es nicht. Habe meine sehr guten Gründe dazu, daran zu zweifeln.“
    „Und diese Gründe sind?“
    „Will's Euch sagen, Sir. Habe früher auch einmal schreiben gekonnt, aber es so schön verlernt, daß ich jetzt wohl kaum noch imstande wäre, meinen Namen auf ein Papier oder eine Schiefertafel zu bringen. Eine Hand, welche so lange ein Pferd gezügelt, die Büchse und das Messer geführt und den Lasso geschwungen hat, die ist nicht mehr geeignet dazu, allerlei Krikselkraksel auf das Papier zu malen. Wer ein richtiger Westmann ist, der hat sicher das Schreiben verlernt, und wer keiner ist, der mag es unterlassen, über Sachen zu schreiben, die er nicht versteht.“
    „Hm! Man braucht sich doch nicht, um ein Buch über den Westen zu schreiben, so lange da aufzuhalten, bis man kein Schreibgelenk mehr in den Fingern hat.“
    „Fehlgeschossen, Sir! Ich habe soeben gesagt, daß nur ein tüchtiger Westmann richtig und der Wahrheit gemäß schreiben könnte; aber grad so ein Mann kommt nie dazu.“
    „Warum?“
    „Weil es ihm nicht einfallen wird, den Westen, wo es keine Tintenfässer gibt, zu verlassen. Die Prärie ist wie die See; sie läßt diejenigen, der sie kennengelernt und liebgewonnen hat, niemals wieder von sich. Nein, alle diese Bücherschreiber kennen den Westen nicht, denn wenn sie ihn kennengelernt hätten, so hätten sie ihn nicht verlassen, um ein paar hundert Papierseiten mit Tinte schwarz zu machen. Das ist so meine Ansicht, und ich vermute sehr, daß sie die richtige ist.“
    „Nein. Ich kenne zum Beispiel einen, der den Westen liebgewonnen hat und ein tüchtiger Jäger werden will. Dennoch wird er zuweilen in

Weitere Kostenlose Bücher