01 - Winnetou I
er enden werde. Wie viele, viele solche Ritte habe ich dann später unternommen!
Wir schlugen natürlich die Richtung ein, in welcher die beiden Apachen fortgeritten waren, das Tal hinab und unten um die Waldesecke. Die Spuren waren im Gras noch zu sehen; selbst ich, das Greenhorn, bemerkte sie; sie führten nordwärts, während wir die Apachen doch im Süden von uns suchen mußten. Als wir uns hinter der Krümmung des Tales befanden, gab es in dem langsam zu Höhe aufsteigenden Wald eine Blöße, welche wahrscheinlich die Folge eines verderblichen Insektenfraßes war; dort hinauf führte die Spur. Die Blöße setzte sich oben eine lange Strecke fort, worauf wir auf eine Prärie kamen, welche wie ein regelmäßiges, langsam aufsteigendes grünes Dach nach Süden führte. Auch hier war die Spur sehr leicht zu verfolgen. Die Apachen hatten uns, wie wir bemerkten, umritten. Als wir uns oben auf dem First dieses Daches befanden, lag eine weite, ebene, grasige Fläche vor uns, welche nach Süden keine Grenze zu haben schien. Obgleich seit dem Verschwinden der Apachen beinahe dreiviertel Tag vergangen war, sahen wir ihre Spur wie eine gerade Linie über diese Ebene führen. Sam, welcher bis jetzt kein Wort gesprochen hatte, schüttelte nun den Kopf und brummte in den Bart:
„Gefällt mir nicht, diese Spur, ganz und gar nicht!“
„Und mir gefällt sie desto besser“, sagte ich.
„Weil Ihr ein Greenhorn seid, was Ihr gestern abend wieder einmal bestreiten wolltet, Sir. Bildet sich der junge Mann ein, daß ich ihn habe loben und gar mit einem Präriejäger vergleichen wollen! So etwas sollte man nicht für möglich halten! Man braucht nur Eure jetzigen Worte zu hören, um sofort zu wissen, woran man mit Euch ist. Euch gefällt diese Spur! Ja, das glaube ich; weil sie so schön deutlich vor Euch liegt, daß ein Blinder sie mit Händen fassen könnte. Mir aber, der ich ein alter Savannenläufer bin, kommt das verdächtig vor.“
„Mir nicht.“
„Haltet den Schnabel, verehrtester Sir! Ich habe Euch nicht dazu mitgenommen, daß Ihr mir mit Euren jungen Ansichten über den Bart wischen sollt! Wenn zwei Indianer ihre Spur so sehen lassen, so ist das stets bedenklich, zumal unter diesen Umständen, wo sie uns in feindlicher Absicht verlassen haben. Es ist sehr zu vermuten, daß sie uns in eine Falle locken wollen. Denn daß sie wissen, daß wir ihnen folgen werden, das ist doch selbstverständlich.“
„Worin soll die Falle bestehen?“
„Das kann man jetzt noch nicht wissen.“
„Und wo soll sie liegen?“
„Natürlich dort im Süden. Sie haben es uns sehr leicht gemacht, ihnen dorthin zu folgen. Wenn das nicht mit einer bestimmten Absicht geschehen wäre, hätten sie sich die Mühe gegeben, die Spur auszuwischen.“
„Hm!“ brummte ich.
„Was?“ fragte er.
„Nichts.“
„Oho! Das klang grad so, als ob Ihr etwas sagen wolltet.“
„Werde mich hüten!“
„Warum?“
„Ich habe allen Grund, meinen Schnabel zu halten, sonst denkt Ihr wieder, ich will Euch den Bart abwischen, wozu ich aber, wie ich Euch offen gestehe, weder Talent noch Lust besitze.“
„Redet doch kein solches Zeug! Zwischen Freunden dürfen Ausdrücke nicht auf diese Weise abgewogen werden. Ihr wollt doch etwas lernen; wie aber könnt Ihr das, wenn Ihr nicht redet! Also, was war das für ein Hm-Brummer, den Ihr soeben losgelassen habt?“
„Ich war anderer Meinung als Ihr. Ich glaube an keine Falle.“
„So! Warum?“
„Die beiden Apachen wollen zu den Ihrigen. Sie wollen sie schnell gegen uns führen und haben bei dieser Wärme eine Leiche bei sich. Das sind zwei sehr triftige Gründe, ihren Ritt möglichst zu beschleunigen, sonst verfault ihnen die Leiche unterwegs, und sodann kommen sie auch zu spät, uns noch zu erwischen. Sie haben sich also nicht Zeit nehmen können, ihre Spur zu verwischen. Das ist meiner Ansicht nach der einzige Grund, daß wir die Fährte so deutlich sehen.“
„Hm!“ brummte Sam nun seinerseits.
„Und wenn ich nicht recht hätte“, fuhr ich fort, „so können wir ihnen dennoch getrost folgen. Solange wir uns auf dieser weiten Ebene befinden, haben wir nichts zu befürchten, weil wir jeden Feind schon von weitem sehen und uns also zur rechten Zeit zurückziehen können.“
„Hm!“ brummte er abermals, indem er mich von der Seite her ansah. „Ihr redet da von der Leiche. Denkt Ihr, daß sie sie in dieser Wärme mit fortnehmen?“
„Ja.“
„Nicht unterwegs begraben?“
„Nein. Der
Weitere Kostenlose Bücher