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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Tote hat in hohen Ehren bei ihnen gestanden. Ihre Gewohnheiten erfordern, daß er mit allem indianischen Pomp begraben werde. Dieser Feierlichkeit würde die Krone aufgesetzt werden können, wenn es möglich wäre, seinen Mörder bei der Leiche sterben zu lassen. Sie werden diese letztere also aufheben und sich beeilen, Rattler und uns in die Hände zu bekommen. So, wie ich sie kenne, steht dies zu erwarten.“
    „So, wie Ihr sie kennt? Ah, Ihr seid also im Apachenland geboren?“
    „Unsinn!“
    „Woher kennt Ihr sie denn sonst?“
    „Aus den Büchern, von denen Ihr nichts wissen wollt.“
    „Well!“ nickte er. „Reiten wir weiter!“
    Er sagte mir nicht, ob er meinen Ansichten beistimme oder nicht; aber wenn er mir zuweilen von seitwärts her einen halben Blick zuwarf, ging durch seinen Bartwald ein leises Zucken. Ich kannte dieses Zucken; es war stets ein Zeichen, daß es ihm nicht leicht wurde, irgend etwas geistig zu verdauen.
    Wir jagten nun im Galopp über die Ebene hin. Sie war eine jener kurzgrasigen Savannen, wie sie sich da oben zwischen den Quellgebieten des Canadian und des Rio Pecos finden. Die Spur war dreireihig, wie mit einer großen, dreizinkigen Gabel gezogen. Die Pferde waren also hier noch immer so nebeneinander geführt worden, wie wir sie hatten von uns fortgehen sehen. Es mußte sehr anstrengend gewesen sein, die Leiche während eines so weiten Rittes aufrecht zu halten, denn bis jetzt hatten wir keine Spur davon gefunden, daß sie irgendeine Vorrichtung getroffen hätten, sich dies zu erleichtern. Ich sagte mir aber im stillen, daß sie das wohl nicht mehr lange ausgehalten hatten.
    Jetzt nun glaubte Sam Hawkens die Zeit gekommen, seines Lehramtes zu walten. Er erklärte mir, aus welcher Beschaffenheit der Fährte zu schließen sei, ob die Reiter im Schritt, im Trab oder im Galopp geritten sind; das war sehr leicht zu sehen und zu merken.
    Nach einer halben Stunde legte sich ein Wald scheinbar quer vor die Ebene, aber auch nur scheinbar, denn die Savanne machte eine Biegung; indem wir derselben folgten, hatten wir diesen Wald zu unserer Linken liegen. Die Bäume desselben standen so weit auseinander, daß ein ganzer Reitertrupp vereinzelt leicht hindurchkommen konnte; die Apachen hatten aber drei Pferde nebeneinander und also nicht hindurch gekonnt. Es war klar, daß sie aus diesem Grund zu Umwegen gezwungen waren, denen wir gern folgten, weil auch wir da offenen Weg hatten. Später freilich, als ich ‚ausgelernt’ hatte, wäre es mir nie eingefallen, dieser Fährte so nachzureiten, sondern ich wäre geradeaus durch den Wald geritten und jenseits wieder auf sie getroffen, wodurch ich den Umweg abgeschnitten hätte.
    Später verengte sich die Prärie zu einem schmaleren, nicht ganz offenen Wiesenstreifen, auf welchem vereinzeltes Buschwerk stand. Da kamen wir an eine Stelle, wo die Apachen angehalten hatten. Es war an einem Gesträuch, aus welchem hohes, schlankes Eichen- und Buchenholz ragte. Wir umritten es vorsichtig und näherten uns erst dann, als wir die Überzeugung hatten, daß die Roten längst nicht mehr darin steckten. Auf der einen Seite des Gebüsches war das Gras vollständig niedergelagert. Die Untersuchung ergab, daß die Apachen hier abgestiegen waren und die Leiche vom Pferd genommen und in das Gras gelegt hatten. Dann waren sie in das Gesträuch eingedrungen, um Eichenstangen zu schneiden und sie von den Nebenzweigen zu befreien; diese letzteren sahen wir am Boden liegen.
    „Was mögen sie wohl mit diesen Stangen getan haben?“ fragte Sam, indem er mich wie ein Lehrer seinen Schüler anblickte.
    „Eine Trage oder Schleife für die Leiche“, antwortete ich getrost.
    „Woher wißt Ihr das?“
    „Von mir.“
    „Wieso?“
    „Ich habe schon lange auf so etwas gewartet. Die Leiche so lange aufrecht zu halten, ist keine Kleinigkeit gewesen. Ich erwartete also, daß sie beim ersten Haltepunkt Abhilfe getroffen haben.“
    „Nicht übel gedacht. Steht so etwas auch in Euren Büchern zu lesen, Sir?“
    „Wörtlich und genau auf diesen Fall passend nicht; aber es kommt darauf an, wer ein solches Buch liest und wie er es liest. Man kann wirklich viel daraus lernen und dann in der Wirklichkeit für andere, ähnliche Fälle anwenden.“
    „Hm, sonderbar! Scheinen also doch im Westen gewesen zu sein, die so etwas schreiben! Übrigens stimmt Eure Vermutung mit der meinigen zusammen. Wollen doch mal sehen, ob sie richtig ist.“
    „Ich vermute, daß sie nicht eine

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