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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hinüberritten, betrachtete ich den Grus und Sand auf beiden Seiten auf das genaueste. Wenn ich vorhin das Richtige erraten hatte, so war hier für einen der Apachen der geeignete Ort, abzuweichen. Wenn er ein Stück die trockene Mulde hinunterritt und sein Pferd nicht auf den Sand, sondern nur auf den harten Grus treten ließ, der keine Spur annahm, so konnte er verschwinden, ohne eine Fährte zurückzulassen. Ritt dann der andere weiter, mit dem Schleifenpferd hinter sich, so konnte man die Spur dieser beiden Pferde noch immer für die von dreien halten.
    Ich hielt mich hinter Sam Hawkens. Schon war ich fast hinüber, da bemerkte ich in einer Sandlage, grad wo sie an eine Gruslage stieß, eine runde Vertiefung, deren Ränder eingefallen waren; sie hatte ungefähr die Weite einer großen Kaffeetasse. Ich hatte damals nicht den scharfen Blick, den Scharfsinn und die Erfahrung, die ich später besaß; aber was ich später behauptet und bewiesen hätte, das ahnte ich damals wenigstens, nämlich daß diese kleine Vertiefung von einem Pferdehuf rühre, der von dem höheren Grus in den tiefer liegenden Sand hinabgerutscht war. Als wir am anderen Ufer angekommen waren, wollte Sam auf der Fährte weiterreiten; ich aber forderte ihn auf:
    „Kommt einmal da nach links hinüber, Sam!“
    „Warum?“ fragte er.
    „Will Euch etwas zeigen.“
    „Was?“
    „Werdet es gleich sehen. Kommt nur mit!“
    Ich ritt am Ufer des Trockenbettes hinab; es war mit Gras bestanden. Wir hatten nicht mehr als zweihundert Pferdeschritte gemacht, da kam die Fährte eines Reiters aus dem Sand herauf und führte ganz deutlich über das Gras in südlicher Richtung hin.
    „Was ist das hier, Sam?“ fragte ich, nicht wenig stolz, als Neuling doch recht zu bekommen.
    Seine kleinen Äuglein schienen sich in ihre Höhlen verkriechen zu wollen, und sein listiges Gesicht zog sich in die Länge.
    „Pferdestapfen!“ antwortete er erstaunt.
    „Wo sind sie hergekommen?“
    Er blickte über das Trockenbett hinüber, und da er dort keine Spur bemerkte, meinte er:
    „Jedenfalls hier aus dem Frühjahrfluß.“
    „Allerdings. Und wer mag der Reiter da gewesen sein?“
    „Weiß ich es?“
    „Nein, aber ich weiß es.“
    „Nun, wer denn?“
    „Einer von den beiden Apachen.“
    Sein Gesicht dehnte sich noch mehr in die Länge, eine Fähigkeit, die ich ihm bisher gar nicht zugetraut hatte, und er rief aus:
    „Von diesen beiden? Nicht möglich!“
    „O doch! Sie haben sich getrennt, wie ich vorhin vermutete. Kommt nun zu unserer Fährte zurück! Wenn wir sie genau betrachten, so werden wir sehen, daß sie nun von nur zwei Pferden herrührt.“
    „Das wäre ja ganz erstaunlich! Wollen einmal sehen. Bin fürchterlich neugierig!“
    Wir ritten zurück und waren nun freilich aufmerksamer, als wir gewesen wären, wenn ich meine Entdeckung nicht gemacht hätte. Wir fanden wirklich heraus, daß von hier an nur zwei Pferde weitergegangen waren. Sam hustete einige Male, betrachtete mich mit mißtrauischen Augen vom Kopf bis zu den Füßen herunter und fragte:
    „Wie seid Ihr denn auf die Idee gekommen, daß die abgezweigte Spur da drüben aus dem Trockenbett kommen werde?“
    „Ich habe einen Fußstapfen da unten im Sand gesehen und das übrige daraus geschlossen.“
    „Das wäre! Zeigt mir doch einmal den Stapfen!“
    Ich führte ihn hinunter, wo er ihn sah. Da blickte er mich noch viel mißtrauischer an als vorhin und fragte:
    „Sir, wollt Ihr mir einmal die Wahrheit sagen?“
    „Ja. Glaubt Ihr vielleicht, daß ich Euch einmal belogen habe?“
    „Hm, Ihr scheint ein wahrheitsliebender und ehrlicher Kerl zu sein; aber in diesem Fall traue ich Euch doch nicht. Ihr seid noch nie in der Prärie gewesen?“
    „Nein.“
    „Überhaupt im wilden Westen nicht?“
    „Nein.“
    „Auch nicht in den Vereinigten Staaten?“
    „Nie.“
    „Oder gibt es ein anderes Land, wo es auch Prärien und Savannen gibt und so etwas wie hier im Westen, und dort seid Ihr gewesen?“
    „Nein. Ich bin nie aus meiner Heimat weggekommen.“
    „So hole Euch der Teufel, Ihr ganz und gar unbegreifliches Menschenkind!“
    „Oho, Sam Hawkens! Ist das ein Segensspruch von einem Freund, wie Ihr zu sein behauptet!“
    „Na, nehmt mir's mal nicht übel, wenn mir bei solchen Dingen der Käfer über die Galle läuft! Kommt so ein Greenhorn nach dem Westen, hat noch kein Gras wachsen und keinen Erdfloh singen gehört und treibt schon gleich beim ersten Kundschafterritt dem alten Sam Hawkens

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