010 - Der Derbysieger
nicht, das ist nicht nötig.«
»Es tut mir leid, daß ich nicht sofort zur Stelle war«, entschuldigte er sich und stand schnell auf. »Ich werde in letzter Zeit tatsächlich nachlässig.«
»Sie denken zuviel nach.«
»Worüber denn?«
»Über Miss President«, erwiderte sie kühl. Er schaute sie erstaunt an und lächelte dann wieder. »Wieso über Miss President?« fragte er, als ob er nicht recht verstanden hätte.
»Sie haben in der letzten Zeit verschiedene Briefe von ihr oder über sie erhalten.«
Der Ton, in dem sie das sagte, behagte ihm durchaus nicht, wenn sie auch nur eine Tatsache festgestellt hatte.
»Ich mache Ihnen ja nicht den geringsten Vorwurf deswegen«, sagte sie und lächelte seltsam. »Sie ist sehr schön und anziehend. Aber Sie sollten sich deshalb nicht in der Arbeit stören lassen.«
»Aber um Himmels willen! Eric Stanton hat mir doch diese Briefe geschrieben! Außerdem beschäftige ich mich gar nicht viel mit ihr.«
»Das glauben Sie«, erwiderte sie und schüttelte den Kopf. »Aber ich weiß ganz genau, daß Sie die ganze Zeit nur an sie denken, und zwar so intensiv, daß ich direkt Ihre Gedanken fühle.«
»Da täuschen Sie sich aber gewaltig. Ich denke dauernd an jemand anders«, entgegnete er ruhig. »Und wenn mir überhaupt während der Bürostunden eine Frau in den Sinn kommt, dann ist es nicht Miss President.«
»Es wäre doch besser, Sie würden sich nicht selbst etwas vormachen«, sagte sie mit erstaunlicher Sicherheit.
»Aber Sie hören doch -«, begann er.
»Sie brauchen nicht so laut zu sprechen - ich will doch nur Ihr Bestes. Sie waren sehr liebenswürdig zu mir, Mr. Sands, und ich bin Ihnen dafür zu großem Dank verpflichtet. Das erkenne ich voll und ganz an.«
»Sie wollen mir doch nicht etwa jetzt ein Geschenk überreichen?« fragte er etwas spöttisch.
»Bitte, werden Sie - nicht ironisch«, entgegnete sie und wurde rot. »Es ist häßlich von Ihnen, daß Sie mich so behandeln, Mr. Sands. Ich gehe nach Hause.«
»Sie trinken jetzt mit mir Tee.«
»Ich sage Ihnen, daß ich nach Hause gehe«, erklärte sie bestimmt.
»Aber erst, nachdem Sie Tee mit mir getrunken haben«, sagte er. »Nachher können Sie nach Hause gehen, aber bis sechs Uhr haben Sie Bürozeit. Und bis dahin ist noch eine halbe Stunde.«
»Dann bleibe ich solange hier im Büro.«
Sie zog ihren Mantel wieder aus.
»Sie sind wirklich eine schwer zu behandelnde junge Dame.« Er seufzte. »So etwas ist mir doch noch nicht vorgekommen, Janet.«
»Bitte, nennen Sie mich nicht bei meinem Vornamen«, erwiderte sie schnippisch und setzte sich an ihre Maschine.
Er nahm an seinem Schreibtisch Platz, und sie schwiegen beide einige Minuten.
»Sie sind eifersüchtig auf Mary President!« wandte er sich dann plötzlich an sie.
Sie fuhr in ihrem Drehstuhl herum und warf ihm einen wütenden Blick zu.
»Wie dürfen Sie das sagen?« rief sie hitzig.
»Ich bin ein Detektiv«, erwiderte er in scherzhaftem Ton. »Und Detektive können sich alles gestatten, vorausgesetzt, daß man sie für ihre Mühe gut bezahlt.«
»Sie wissen sehr wohl, daß ich nicht auf Mary President eifersüchtig bin. Weshalb sollte ich denn auch eifersüchtig sein? Sie können doch so viele Freundinnen haben, wie Sie wollen.«
»Da haben Sie allerdings recht. Aber in diesem besonderen Fall glaube ich, daß Sie Mary President nicht leiden können.«
»Nein, da irren Sie sehr. Sie denken, daß ich so kleinlich bin, um Ihretwillen eifersüchtig zu werden. Nein, Sie bilden sich zuviel ein. Ich interessiere mich absolut nicht für Ihre Herzensangelegenheiten.«
»Das kann nicht ganz stimmen, denn -«, begann er.
»Wenn es Ihnen recht ist, gehe ich jetzt nach Hause«, unterbrach sie ihn.
Sie erhob sich, aber diesmal war er rechtzeitig zur Stelle, nahm ihren Mantel aus dem Kleiderschrank und half ihr beim Anziehen. Sie mußte seine Dienste wohl oder übel annehmen.
Einen Augenblick blieb sie an der Tür stehen.
»Darf ich Sie bitten mir morgen freizugeben? Ich möchte mir eine andere Stelle suchen«.
»In diesem Fall werde ich Sie sofort gerichtlich belangen, weil Sie mir nicht rechtzeitig gekündigt haben.« Er zwinkerte ihr freundlich zu. »Sie benehmen sich übrigens sehr undankbar mir gegenüber. Wenn Sie bedenken, daß ich -« »Nun, was wollen Sie denn sagen? Sprechen Sie sich nur ruhig aus.«
»Ich wollte sagen, daß ich Sie liebe«, erklärte er frei und offen. »Ich denke nur an Sie, und ich möchte Sie glücklich und
Weitere Kostenlose Bücher