010 - Die Todesengel
besonders, wenn es sich um Bourbon handelt.«
»Wieso kennen Sie meine Schwäche für amerikanischen Whisky?« wunderte sich Dorian.
Die beiden Schwestern blickten einander an.
»Verraten wir es ihm?« fragte Hercy.
»Aber ja«, meinte Mercy und wandte sich wieder Dorian zu.
»Wir wissen es aus Dr. Demings Unterlagen. Wir haben ihn heute früh aufgesucht. Noch gestern sprachen wir bei Tisch über Sie, und Hercy und ich fanden, daß Sie es nicht verdient hätten, drüben eingesperrt zu sein. Als wir Dr. Deming baten, Sie freizulassen, hat er sofort zugestimmt.«
»Dann habe ich es also Ihnen zu verdanken, daß ich wieder hier bin?«
»Nicht ganz«, sagte Schwester Hercy.
»Nein, nicht ganz«, bestätigte Schwester Mercy, »denn Dr. Deming hatte gar keine Ahnung, daß Arnie Sie in eine Einzelzelle gesteckt hatte. Dieser Rohling! Aber ein bißchen hat auch Dr. Hillary schuld, denn er war informiert und hat Dr. Deming nicht unterrichtet.«
»Das ist ja seltsam«, meinte Dorian.
»Vor allem grausam gegen Sie«, sagte Schwester Hercy erbost, und ihre Schwester nickte dazu. »Dürfen wir Sie heute um sieben wieder bei uns erwarten? Ich kann allerdings nicht versprechen, daß Dr. Deming da sein wird. Der Arme ist total überlastet.«
Dorian wollte gern glauben, daß Dr. Deming andere Sorgen als die Betreuung seiner Patienten hatte. Laut sagte er: »Ich weiß nicht, ob ich Ihre Einladung annehmen kann. Nicht alle dürften über meine Anwesenheit so erfreut sein wie Sie.«
»Sie meinen John Storm?« Schwester Mercy winkte ab. »Sie dürfen nicht alles ernst nehmen, was er sagt, Mr. Hunter. Er lebt eben in dem Wahn, daß seine Erben seinem Tod etwas nachhelfen könnten, um an sein Vermögen heranzukommen. Er verdächtigt jeden. Also, dürfen wir Sie erwarten?«
»Miß Ashton scheint mich auch für einen Mörder zu halten«, warf Dorian ein.
»Was Miß Ashton anbelangt, so hat sie eingesehen, daß sie töricht gewesen ist«, behauptete Schwester Hercy und lachte. »Sie sehen, Mr. Hunter, Sie finden keine Ausrede mehr, um unsere Einladung auszuschlagen.«
»Also gut, ich werde kommen«, willigte Dorian ein.
Kurz nachdem die Schwestern gegangen waren, sah er Deborah Ashton auf seiner Terrasse. Sie schien unschlüssig, näherte sich seiner Tür, drehte dann aber wieder um und wollte davoneilen.
Dorian ging hinaus und rief ihr nach: »Wollten Sie zu mir, Miß Ashton?«
Sie kam langsam zurück. »Ja, ich – das heißt, ich wollte mich nur bei Ihnen entschuldigen. Ich habe mich Ihnen gegenüber töricht benommen.«
»Das ist längst vergeben und vergessen«, sagte Dorian. »Wollen Sie nicht hereinkommen?«
»Das wäre nicht schicklich. Ich bin verheiratet. Aber wenn Sie wollen, können wir uns auf der Terrasse unterhalten.«
Dorian rückte zwei Korbsessel zurecht, und sie setzten sich. Um das Schweigen zu überbrücken, holte er seine Zigaretten hervor, aber sie lehnte ab.
»Ich bin jetzt Ihre Nachbarin«, begann Deborah das Gespräch. »Ich habe mit Mr. Storm getauscht. In dem anderen Bungalow habe ich mich so verlassen gefühlt – ja, ich hatte Angst darin, denn die angrenzenden Bungalows stehen leer.«
Dorian blies zwei Rauchringe in die windstille Luft und fragte dann: »Warum haben Sie Ihre Meinung über mich geändert?«
Sie senkte den Blick und malte mit ihrer Schuhspitze Figuren auf den Boden. »Ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll«, begann sie.
Dorian ließ ihr Zeit, damit sie sich ihre Worte überlegen konnte.
»Als ich Sie nach meinem Erlebnis … Als ich in den Bungalow der Schwestern gestürmt kam, da fiel mir sofort etwas an Ihnen auf, aber ich war mir nicht klar darüber, was es war. Und da ich von Natur aus mißtrauisch bin, verdächtigte ich Sie. Ich war mit den Nerven völlig am Ende. Gestern wußte ich jedoch auf einmal, was mir an Ihnen aufgefallen war. Ich sah mir die Leute am Tisch der Reihe nach an. Sie glichen einander irgendwie, und ich erkannte, daß Sie anders waren.«
»Mit einem Wort, Sie halten mich nicht für so verrückt wie die anderen«, sagte Dorian.
»Ja – und ich glaube, ich irre mich nicht.« Sie sah ihn fest an. »Mr. Hunter, ich bin auch nicht hier, weil ich geistesgestört bin. Ich mag etwas überängstlich sein und zur Hysterie neigen, aber sonst bin ich völlig normal.«
»Warum sind Sie dann hier?« fragte er. Da sie zögerte, fügte er hinzu: »Sie müssen es mir natürlich nicht sagen.«
»Nein, nein. Ich will – ich muß mit jemandem darüber
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