0100 - Der Mann, der uns ins Handwerk pfuschte
Achseln.
»Ich fürchte, wir werden nichts unternehmen können, bis der Wagen gefunden worden ist. Oder bis Harper wieder auf der Bildfläche erscheint.«
»In seiner Wohnung brauchen wir nicht auf ihn zu warten«, brummte ich. »Er wohnt offenbar seit Tagen nicht mehr in der 87. Straße.«
»Ich mache einen Vorschlag«, sagte Phil. »Geh nach Hause, schlaf dich aus. Ich übernehme deinen Posten. Du kannst mich am Abend ablösen.«
Ein G-man lernt, daß es Situationen gibt, in denen man einfach nichts erzwingen kann, sondern in denen man abwarten muß, bis sich etwas ereignet. Phils Vorschlag war vernünftig.
Ich fuhr nach Hause und legte mich ins Bett.
***
Aber ich war zu unruhig, um es lange darin auszuhalten. Noch vor Mittag war ich wieder auf den Beinen.
Ich rief Phil an.
»Nichts Besonderes«, sagte er. »Keine Nachricht von dem Lincoln. Keine Nachricht von Harper. Ich habe gerade mit dem Revier auf der 8. Avenue gesprochen. Sie bringen diesen Caluzzo her. Ich werde ihn verhören, und dann müssen wir entscheiden, ob er noch länger in Haft behalten werden soll.«
»Okay, mache es mit dem Untersuchungsrichter ab.«
Ich fuhr ziellos in der Gegend herum, aber vielleicht bildete ich mir nur ein, daß ich kein Ziel hätte, jedenfalls fand ich mich plötzlich auf der 5. Avenue wieder, und zwar genau vor dem Drugstore, in dem Nelly ihren Mittagslunch zu nehmen pflegte, jene zwei Häppchen Essen, die sie sich im Interesse ihrer Figur zubilligte.
Der Zufall wollte es, daß Nelly genau in jenem Augenblick aus dem Drugstore kam, in dem ich aus dem Auto stieg. Eine Begegnung war nicht mehr zu vermeiden.
»Solch ein Zufall!« sagte ich.
Nellys Blick sagte eindeutig, was sie von der Zufälligkeit unserer Begegnung hielt.
»Ich fürchte, wir haben uns nichts mehr zu sagen«, bemerkte sie hoheitsvoll und nahm die Nase, diese sehr hübsche Nase, sehr hoch.
»Irrtum«, antwortete ich. »Ich habe dir sehr wichtige Mitteilungen zu machen.«
»Laß mich in Ruhe, oder ich rufe den nächsten Polizisten, weil du mich belästigst«, drohte sie.
Der nächste Polizist war ohne Zweifel ich. Beinahe hätte ich sie gefragt, wie sie es sich vorstelle, wenn ich sie vor mir beschützen solle.
»Bitte, höre mich an!« flehte ich.
Sie blickte an mir vorbei und sprach:
»Fasse dich kurz!«
»Ganz kurz! Komm heute abend zum Treffpunkt!«
»Metropolitan?«
»Ja!«
»Ich steige ein?«
»Selbstverständlich.«
Sie warf sich herum und fauchte mich an wie eine durch eine Laune der Natur blond geratene Tigerkatze:
»Und nachdem wir zweihundert oder dreihundert Yards gefahren sind, wirfst du mich wieder raus, weil du dringend irgendwohin mußt, wie? Danke, mein Bester!«
Ich hielt der Tigerkatze stand und versuchte, sie durch ein mildes Lächeln zu bändigen.
»Also, du kommst?«
»Nein!«
»Ich werde jedenfalls kommen. Sagen wir acht Uhr abends, damit du genügend Zeit hast, dich hübsch zu machen.«
Sie drehte sich um und wollte fortgehen. Ich hielt sie am Arm fest und drehte sie mit sanfter Gewalt mir zu. Sie sah aus, als wollte sie beißen.
»Bitte, komm!« sagte ich sehr sanft.
»Nie!«
Kein Gangster hätte mich je wieder ernst genommen, wenn er mein Gesicht in diesem Augenblick gesehen hätte. Aber auf Nelly wirkte diese Art von Gesichtsausdruck. Sie zerschmolz, jedenfalls zur Hälfte.
»Wirst du bestimmt kommen?« fragte sie, noch streng.
»Mit absoluter Sicherheit!«
»Und du wirst mich nicht nach fünf Minuten wieder auf die Straße setzen.«
»Bestimmt nicht!«
»Vielleicht komme ich«, sagte sie. Ich wußte, daß dieses Vielleicht ein Ja bedeutete.
Ich ließ sie los. Sie ging zu dem Eingang des Parfumladens. An der Tür drehte sie sich um und winkte mir rasch zu.
Ich fuhr zum Hauptquartier. Ich wollte Phil jetzt ablösen, und er sollte dafür den Nachtdienst wieder übernehmen. Ich wußte, daß Phil zu einem solchen Freundschaftsdienst immer bereit war.
Ich fand Phil in unserem Büro. Ihm gegenüber saß Toni Caluzzo. Er rauchte eine Zigarette aus Phils Päckchen. Von dem Helden aus »Teddys Saloon«, dem gefürchteten Schläger und Unteranführer seiner Gang, war nach einer Nacht im Revier des Polizeigefängnisses nicht mehr viel übriggeblieben.
Phil lächelte.
»Ich habe ihn gefragt, was er in einer bestimmten Nacht gemacht hat. Er antwortete, daß er wahrscheinlich geschlafen oder in seiner Stammkneipe gesessen hätte, aber ich hatte den Eindruck, daß er log, denn er erschrak sehr, als ich
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