0100 - Der Zielstern
Marshall fuhr sich mit dem Handrücken über die schweißfeuchte Stirn. Besorgt sah er zu Gucky hinüber, dessen zarter Körper von den hohen Belastungen während der unkontrollierten Kreiselbewegung stark mitgenommen worden war. „Eine verfahrene Situation, Sir", meinte John vorsichtig. „Ich kann mit den Paraströmen der fremden Gehirne nicht viel anfangen. Alles ist verworren und verzerrt. Ich sehe nebelhafte geometrische Erscheinungen, die in allen denkbaren Farbreflexen schillern. Das ist aber kein befriedigender Empfang, noch nicht einmal ein annähernd ausreichender. Fast möchte ich behaupten ...!"
„Was ...?"
„... die Fremden schirmten sich ab. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sie Guckys und meine Versuche bemerkt haben."
„Das bedingte ein großes Wissen über parapsychische Dinge und die dazugehörenden körperlichen Fähigkeiten, oder?"
„Richtig, Sir ...!" Marshall unterbrach sich. Er sah Rhodan etwas verlegen an. „Ja, John?"
„Sir, wenn ich raten dürfte, so würde ich einen sofortigen Rückzug vorschlagen.
Etwas stimmt hier nicht. Warum antwortet man nicht auf unsere Funkanrufe? Man ist technisch und kulturell hochstehend genug, um die überall gültigen Grundbegriffe der Mathematik verstehen zu können.
Lassen Sie uns umkehren, Sir."
Rhodan schwieg einen Moment, bis er ruhig sagte: „John, dafür ist es jetzt zu spät. Der Administrator eines noch jungen Staates kann es sich nicht leisten, Intelligenzen von dieser Entwicklungsstufe unbeachtet zu lassen, nur weil sie ihm unheimlich erscheinen."
„Sie wissen nicht, woher wir kommen", warf Bully ein. „Stimmt, aber wir wissen, daß es sie gibt, und das genügt. Ich hätte keine ruhige Minute mehr, wenn wir nicht wenigstens feststellen können, mit wem wir es zu tun haben. Oberst Claudrin ...!" Der Epsalgeborene richtete sich in seinem Sessel auf. Seine tiefliegenden Augen funkelten im Licht der Armaturen. „Sir?"
„Bereiten Sie das Landemanöver vor. Wir sehen uns da unten um. Bringen Sie die FANTASY nahe jener eigenartigen Leuchterscheinungen auf den Boden, die uns bisher einige Rätsel aufgegeben haben. Die Gefechtsbereitschaft bleibt bestehen. Landungskommando klar zum Ausschleusen. Leutnant Mahaut Sikhra ...!" Der Nepalese meldete sich über die Bordverbindung. „Kümmern Sie sich um die Ausrüstung Ihrer Männer. Arkonidische Kampfanzüge anlegen. Ich werde Sie begleiten. Die Luft des Mondes ist atembar, die Temperaturen sind erträglich. Das wäre alles, danke sehr." Sikhra schaltete ab. In einer anderen Abteilung des Schiffes erhielten die einsatzklaren Kampfroboter die ersten Programmierungsimpulse.
Brazo Alkher fühlte seine Handflächen feucht werden. Augenblicke später begann es außerhalb der Schiffszelle zu pfeifen. Claudrin stieg in einer steilen Landekurve ab, wobei er die Luftmoleküle mit den starken Prallschirmen aus der Flugbahn schob. Die erkannten Leuchterscheinungen kamen näher. Kurz vor der Landung wurden die ersten Lebewesen entdeckt. Die optische Bildvergrößerung zauberte die hochgewachsenen, menschengleichen Gestalten auf die riesigen Bildschirme der Zentrale. Auch das wäre nicht ungewöhnlich gewesen, wenn es auch nur eine Person für nötig gefunden hätte, den Blick nach oben zu richten. Das Donnern der Triebwerke konnte nicht überhört werden. Unten ging man jedoch seinen Beschäftigungen mit solcher Ruhe und Gelassenheit nach, als geschähe überhaupt nichts. In zwei Kilometer Höhe fuhr der Erste Offizier die Landebeine aus. Wieder zeigten die fremden Intelligenzwesen keine Reaktion. Sie taten, als wäre die FANTASY nicht vorhanden. So erfolgte die Landung knapp einen Kilometer von wuchtigen, hoch aufragenden Bauwerken entfernt, die allem Anschein nach rein zweckbestimmt waren.
Als die Triebwerke ausliefen und die letzten Druckwellen des Landevorganges unter gewitterähnlichem Grollen Sand- und Geröllmassen aus dem wüstenhaften Land aufwirbelten, sahen dreihundert Terraner fassungslos auf die zahlreichen Schirmflächen der Außenbordbeobachtung. Die Strukturtaster sprachen wieder an, diesmal aber in solcher Stärke, daß sie endgültig abgeschaltet werden mußten. Die Energieortungsgeräte zeigten das Vorhandensein von so mächtigen Kraftwerken an, daß sogar Arno Kalup blaß wurde. Der Strom, der hier erzeugt wurde, hätte ausgereicht, um einige hunderttausend Großraumschiffe der Imperiumsklasse mit Energie zu versorgen. Dabei hatte man anscheinend nur ein einziges Kraftwerk
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