0102 - Das letzte Duell
Grab.
Die Erde fiel in Krumen von seinen Knochen nieder, selbst der kahle Schädel wurde blank.
Sekundenlang blieb das Skelett vor dem Grab stehen. Dann schaute es sich um. Die Männer schien der Knöcherne gar nicht wahrzunehmen. Er schaute nur auf seine Artgenossen, die in regelmäßiger Folge aus den Gräbern kletterten.
Und alle sahen gleich aus.
Sie besaßen die gleiche Größe, die Schädel, die Schulterbreite, alles stimmte überein.
Will Mallmann zählte mit bebenden Lippen.
»Elf, zwölf, dreizehn…« Bis zwanzig kam er.
So viele Gerippe bevölkerten den Friedhof und blieben vor ihren Gräbern stehen.
Will Mallmann warf einen Blick nach links.
Dort standen die beiden Wissenschaftler und Sir Powell. Selbst der sonst so beherrschte Superintendent hatte die Augen hinter seiner Brille weit aufgerissen und konnte nicht glauben, was er zu sehen bekam. Wohl zum erstenmal wurde er hautnah mit dem Grauen konfrontiert, bisher hatte er nur in den Berichten gelesen, was es alles an Unerklärlichem gab.
Nun sah er es selbst.
Art Cornwall stand leicht gebückt da, hatte die Hände zu Fäusten geballt und stierte auf die knöchernen Monster. Dabei waren sie nicht einmal groß. Sie reichten selbst dem etwas kleineren Suko nur bis zur Schulter. Aber von ihnen ging eine so starke Drohung aus, daß es die Männer schauderte.
Jeder ahnte, daß mit der Ankunft der Skelette die letzte Runde eingeläutet worden war.
Sven Jansson schluchzte auf. Seine Nerven waren am schwächsten. Er hatte die Hände vor sein Gesicht geschlagen und starrte durch die gespreizten Finger.
»Nein!« stöhnte er. »Nein, das darf doch nicht wahr sein. Ich werde hier noch wahnsinnig.«
Sir Powell fuhr herum, faßte den Mann an der Schulter und schüttelte ihn durch. »Reißen Sie sich zusammen!« fuhr er den Norweger an. »Denken Sie, wir hätten keine Angst?«
»Ich will aber nicht. Ich will nicht.« Mit einer raschen Drehung befreite sich der Wissenschaftler, und bevor Powell noch reagieren konnte, bekam er einen Schlag in den Magen.
Der Superintendent fiel zusammen. Der Hieb hatte ihn hart getroffen. Er krümmte sich am Boden.
Sven Jansson riß beide Arme hoch. »Niemand!« brüllte er, »niemand wird mich aufhalten!«
Suko ahnte, was kam, und er startete.
Trotzdem kam er zu spät. Jansson hatte bereits auf dem Absatz kehrtgemacht und rannte auf den Rand des Friedhofs zu. Er wollte im Dschungel verschwinden.
Da war noch der Rabe.
Blitzschnell löste er sich von seinem Ast, breitete die Flügel aus und jagte hinter dem Flüchtigen her.
Das Tier war schneller als Suko.
Der Chinese spürte, wie es über seinen Kopf hinwegstrich. Der Luftzug der Flügel ließ seine Haare flattern, doch das Unheil konnte auch Suko nicht aufhalten.
Bevor Sven Jansson zwischen den Bäumen verschwand, war der Rabe bei ihm.
Wie ein Stein fiel er auf den Wissenschaftler nieder.
Jansson brüllte in panischem Schrecken, als ihn der Vogel mit seinem Gewicht zu Boden drückte und mit dem Schnabel zuhackte.
Der Schrei verstummte.
Dann war Suko da.
Er hob die rechte Hand, und seine Faust hielt die Dämonenpeitsche umklammert.
Hart drosch er zu.
Die drei Riemen fuhren in das dunkle Gefieder des riesigen Monstervogels. Federn stäubten hoch und trudelten zu Boden. Fast menschlich brüllte der Rabe auf.
Diesen Schrei hörte auch Kommissar Mallmann. Er glaubte, darin die Stimme seiner verstorbenen Frau erkannt zu haben.
Der Kommissar sah rot.
»Nicht!« brüllte er Suko zu, der wie verbissen auf den Vogel einschlug. »Laß ihn in Ruhe!«
Suko wollte nicht auf ihn hören. Wie eine Maschine schlug er weiter.
Der Rabe versuchte zu fliehen. Er breitete seine Flügel auf, doch Suko ließ ihn gar nicht erst vom Boden hochkommen.
Da war Mallmann heran.
Art Cornwall wollte ihn stoppen, doch der Kommissar räumte ihn mit einem Fausthieb zur Seite. Der Engländer fiel zu Boden und überschlug sich.
An der Schulter riß der Kommissar Suko herum.
»Laß ihn!«
Suko stieß Mallmann von sich.
Doch so leicht gab der Kommissar nicht auf. Wuchtig warf er sich gegen den Chinesen.
Auch Suko konnte diesem Aufprall nicht standhalten. Er wurde abgelenkt, der Rabe bekam wieder etwas Luft, breitete einen Teil der abgefederten Flügel aus und wollte hochfliegen.
Er schaffte es nicht. Die Magie der Dämonenpeitsche hatte ihn zu sehr geschwächt.
Mallmann wütete wie ein Berserker. Seine Fäuste glichen Dreschflegeln, als er nach Sukos Kopf schlug, doch der Chinese
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