0104 - Die Stieftochter des Teufels
Blicke auf sie übertrug, dorthin, wohin er sie haben wollte.
Es ging einen langen Gang hinunter, um eine Ecke herum, dann wieder geradeaus, bis sie vor einer Eisentür standen. Eine Handbewegung Negros, und die Tür öffnete sich, schwang zurück und gab den Weg frei in sein Reich.
Vor Jeanne läg ein riesiges Gewölbe. An den Wänden flackerten Fackeln und warfen bizarre Schatten, die über einen an der Rückwand stehenden, schwarz verhängten Altar fielen.
»Dorthin…!« Negro wies mit ausgestreckter Rechten auf eine Art Liege, die - genau wie der Altar -, schwarz verkleidet war. »Leg dich hin, Jeanne Audret!«
Ohne Widerspruch befolgte sie diesen Befehl, ging mit hölzernen Schritten quer durch das Gewölbe und legte sich hin. Negro folgte ihr, blieb stehen, sah sekundenlang auf das Mädchen hinab, dann klatschte er zweimal in die Hände.
Links und rechts neben dem Altar schwangen Türen auf, die bisher nicht zu sehen gewesen waren, und zwei Särge rollten lautlos hervor, hielten mitten im Gewölbe an, das sich langsam erhellte. Die Luft begann zu flimmern, erst grünlich, wechselte nach Gelb hinüber, wurde dann bläulich.
Eine erneute Handbewegung Negros. Die Deckel der Särge schwangen beiseite, blieben in der Schwebe. Langsam richteten sich zwei Gestalten auf: ein Mann und eine Frau. Beide trugen graue Umhänge mit Kapuzen. Sie stiegen aus den Särgen, blieben stehen, sahen auf Negro.
»Es ist soweit!« sagte er. »Ich habe euch frisches, junges Blut beschafft… ihr müßt es euch nur nehmen! Zuerst du…!« Er tippte der Frau gegen die Brust.
Sie schlug die Kapuze zurück. Ein schmales, bleiches Gesicht kam zum Vorschein. Das Antlitz einer jungen, bildschönen Frau - maskenhaft starr, leblos, mit toten Augen.
»Trink…!« befahl Negro. »Trink, damit du stark wirst! Ich habe einen Auftrag für dich, Martine! Um ihn auszuführen, brauchst du Kraft und das Blut dieses Mädchens… es wird dann deinen Platz dort einnehmen!« Er zeigte auf den Sarg, dem sie entstiegen war.
Jeanne Audrett hatte die Augen weit geöffnet, doch sie schien nicht zu bemerken, was um sie herum vor sich ging. Ihr Blick war starr gegen die Decke des Gewölbes gerichtet, die aus großen Quadern bestand.
Auch als Martine, die Untote, an sie herantrat, die graue Kutte fallen ließ und völlig nackt vor ihr stand, regte sie sich nicht. Martine besaß einen wundervollen, wie von Künsterhand modellierten Körper, aber die Haut war so bleich wie ihr Gesicht. Die roten Haare bildeten einen seltsamen, beinahe erregenden Kontrast dazu.
Jetzt beugte sie sich tief hinunter, öffnete den Mund und zwei lange spitze Zähne wurden sichtbar. Jeanne sah es nicht, ihr Blick blieb starr nach oben gerichtet.
Als sich Martine wieder aufrichtete, ging eine erstaunliche Veränderung mit ihr vor: Glanz trat in die grünen Augen, die langen Zähne waren verschwunden, die Haut färbte sich, wurde von Jeannes Blut durchpulst, die blassen Lippen leuchteten plötzlich frisch, wirkten sinnlich und herausfordernd, als die rote Zunge darüberspielte.
Martine sah an sich herunter, bemerkte ihre Nacktheit und lachte. »Es macht dir Spaß, mich so zu sehen, wie?« Sie ging mit wiegenden Schritten auf Negro zu.
Eine herrische Handbewegung stoppte sie. »Was soll das, Martine? Du sollst deine Künste nicht an mir versuchen, sondern an einem anderen! Wer es ist, wirst du noch früh genug erfahren. Geh jetzt und zieh dich an! Denise wartet bereits auf dich, um dir behilflich zu sein!«
Unter dem Blick der kalten Augen wurde Martine willenlos, drehte sich um und wollte zu jener Tür gehen, durch die Negro und Jeanne gekommen waren.
»Halt…!« bannte Negros Stimme sie. »Hast du nicht etwas vergessen, Martine?«
Sie blieb stehen, wandte sich um. »Ja, Meister… meinen Dank an Satanas dafür, daß ich durch seine Macht und über dich frisches Blut bekam!«
Martine ging auf den Altar zu, blieb davor stehen, legte die rechte Hand auf die linke Brust, die linke Hand auf die rechte, verbeugte sich und rief:
»Herr der Finsternis… ich danke dir für die Gnade, die du mir erwiesen hast, und verspreche dir, sich ihrer würdig zu erweisen!«
Zwischen den beiden neujiarmigen Leuchtern auf dem Altar erschien ein Kopf. Schwarze Haare hingen wirr über die hohe Stirn, zottelig und strähnig, zwei schwarze Augen funkelten, der vollippige, von einem wallenden, schwarzen Bart umrahmte Mund öffnete sich, ließ starke, gelbliche Zähne sehen.
»Du bist eine
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