0104 - Die Stieftochter des Teufels
ihm immer gesagt, er solle es nicht auf die leichte Schulter nehmen. Jetzt hat’s ihn erwischt!«
»Bleib hier«, bestimmte der Wirt. »Ich rufe den Arzt und die Gendarmerie in Imphy an!« Er entfernte sich mit schnellen Schritten.
Die anderen blieben zurück, wortlos, niedergeschlagen, entsetzt. Sie froren, obwohl es alles andere als kalt war…
***
Kaum hatte Martine das Gewölbe verlassen, da erschien Ridicule, das Monster, nahm die reglose Jeanne auf die langen Affenarme und bettete das Mädchen in einen der beiden Särge - in jenen, in dem Martine gelegen hatte. Wie von Zauberhand bewegt, schloß sich der Deckel, der Sarg rollte zurück, verschwand neben dem Altar in der Nische, aus der er gekommen war.
»Und jetzt hol ihn…!« Negro gab Ridicule ein Zeichen. Der verschwand und kam wenig später mit Robert Jeffre zurück, ließ ihn auf die Liege gleiten, sah seinen Meister fragend an und verschwand auf einen neuerlichen Wink.
»Roger!« Negros Stimme klang schneidend. »Es ist soweit!«
In den Mann mit dem grauen Umhang, der bisher reglos und mit erloschenen Augen dagestanden hatte, kam Bewegung. Er streifte die Kutte ab und beugte sich über Robert Jeffre. Er hatte schwarzes, langes Haar, war völlig nackt und so bleich, wie Martine es gewesen war.
Mit glänzenden Augen und voller Tatendrang richtete er sich auf und warf einen Blick auf Negro; offensichtlich erwartete er einen Befehl.
»Na…?« Negro deutete zum Altar hinüber, und das gleiche Zeremoniell wie bei Martine wiederholte sich.
Ridicule kehrte zurück und legte Robert Jeffre in den Sarg. Diesmal wartete Negro nicht, sondern verließ das Gewölbe. Roger folgte ihm. Ridicule verschwand durch eine andere Tür. Gleich darauf wurde das Gewölbe dunkel, das geheimnisvolle Licht erlosch.
Negro blieb nach einem fast fünfminütigen Marsch durch dunkle Gänge vor einer Tür stehen. »Geh hinein und warte, bis Ridicule dich holt«, wandte er sich an Roger, der schweigend diesem Befehl nachkam.
Wenig später betrat Negro einen Raum, der gar nichts Mystisches an sich hatte, von Leuchtstoffröhren erhellt wurde und nichts anderes als ein sehr gut ausgestattetes Labor war.
Zwei Menschen befanden sich darin: Martine, die jetzt einen sehr modischen Jeans-Anzug trug, und eine andere Frau, die Martine wie aus dem Gesicht geschnitten war: Denise Rivette, die Tochter des Kastellans von Château de Cassagne. Sie trug einen hauchdünnen Seiden-Pyjama, der mehr ent- als verhüllte.
»Alles fertig?« fragte Negro, dessen Gesicht nun im unbarmherzigen Licht der Lampen deutlich zu erkennen war.
»Ja. Was hast du mit ihr vor?«
Negro lachte. »Mit Martine? Sie wird sich an deiner Stelle mit Professor Zamorra befassen.«
Denise zuckte zusammen. »Wieso? War es nicht ausgemacht, daß er mir gehört? Warum plötzlich sie?« Sie deutete auf die andere. »Du weißt genau, wie gefährlich das ist! Ja, ja, ich weiß, deine Macht ist groß, aber eben nicht so groß, daß du die Kälte verbannen kannst! Zamorra wird etwas merken«
Negro grinste dämonisch. »Das soll er auch. Einmal wird Martine bei ihm sein, einmal du! Einmal wird er Kälte verspüren, einmal wilde Glut… Leidenschaft!«
»Was soll das? Ich verstehe das nicht!« fragte Denise.
»Warte ab!«
Denise zuckte mit den Schultern. »Na gut. Aber nun verrate mir, warum du den Gendarm vom Eisigen töten ließest!«
»Zur Warnung! Im Dorf wird zuviel geredet. Darum mußte ich ein Exempel statuieren. Bisher haben die Leute noch nicht viel bemerkt, aber wenn sich herausstellt, daß Jeanne Audret und Robert Jeffre verschwunden sind, dann könnten sie auf den Gedanken kommen, sich mehr für das Schloß zu interessieren, als es uns lieb sein kann. Du weißt, wie abergläubisch sie sind.«
Denise lachte ironisch. »Und du naiv! Warum mußte es ausgerechnet der Flic sein? Jetzt werden andere kommen und alles auf den Kopf stellen! Sie werden im Schloß herumstöbern. Muß das sein? Warum gehst du solch Risiko ein, hm?«
»Schluß… ich will nichts mehr hören! Binde ihr den Arm ab…!«
Denise sagte nichts mehr, sondern tat, wie ihr geheißen. Martine erhielt eine intravenöse Injektion, mußte sich danach hinlegen und war wenig später eingeschlafen.
»Wie lange wird sie diesmal ohne Blut auskommen?« wollte Denise wissen.
»Einige Tage länger«, bekam sie zur Antwort. »Es wird von Mal zu Mal besser. Bei Roger ist es kritischer, bei ihm reicht es höchstens zwei Tage. Aber das ist nicht schlimm. Wenn
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