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0107 - Die Geier und der Wertiger

0107 - Die Geier und der Wertiger

Titel: 0107 - Die Geier und der Wertiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Tenkrat
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Gang im zweiten Stock entlang.
    Yehudi arbeitete seit zwei Jahren hier. Er war ein ausnehmend hübscher Bursche, deshalb bekam er vor allem von den weiblichen Gästen stets mehr Trinkgeld als seine Kollegen.
    Trotz seiner einundzwanzig Jahre hatte Yehudi bereits so viel erlebt, daß er damit ein erotisches Buch hätte füllen können.
    Er hatte kaum zwei Tage im »Taj Mahal« gearbeitet, da hatte ihn bereits ein südamerikanischer Vamp mit einem fadenscheinigen Grund aufs Zimmer gelockt, und was sich danach abgespielt hatte, wäre, wenn man es hätte veröffentlichen wollen, jeder Zensur zum Opfer gefallen.
    Eine Woche nach diesem Ereignis hatte die Tochter eines amerikanischen Schwerindustriellen Yehudi vom Fleck weg heiraten wollen, und als er sich Bedenkzeit erbat, hatte das seelisch gestörte Mädchen ein Dutzend Schlaftabletten geschluckt.
    Sie wurde zum Glück rechtzeitig gefunden und ins Krankenhaus gebracht. Als sie genesen war, wollte sie von Yehudi nichts mehr wissen und verließ Bombay, ohne den Zimmerkellner noch mal eines Blickes zu würdigen.
    Das waren nur zwei Episoden in Yehudis turbulentem Leben. Die Reihe seiner Abenteuer hätte sich noch lange fortsetzen lassen.
    Er wirkte eben auf die Frauen wie ein Magnet auf Eisen.
    Soeben kam er von einer attraktiven Frau, die in Scheidung von einem weltbekannten Dirigenten lebte.
    Sie versuchte etwas anzubahnen, doch Yehudi war nicht interessiert.
    Ein Geräusch veranlaßte den Zimmerkellner, im Schritt innezuhalten. Er lauschte.
    Ein Klopfen war zu hören. Dumpf und hartnäckig. Zerlegte da einer der Gäste die Zimmereinrichtung?
    Yehudi orientierte sich.
    Er versuchte festzustellen, aus welchem Zimmer das Klopfen kam, und stellte fest, daß es aus einem Raum kam, der zur Zeit nicht belegt war.
    Erst morgen sollte dieses Zimmer wieder vergeben werden. Wer aber hielt sich heute darin auf?
    Yehudi holte seinen Generalschlüssel aus der Hosentasche. Er schloß damit die Tür auf und betrat das Zimmer.
    Laut und deutlich war das Klopfen jetzt zu hören. Es kam aus dem Schrank. Yehudi eilte darauf zu und öffnete beide Türen.
    Das Zimmermädchen fiel ihm entgegen. In ein Laken gehüllt und geknebelt.
    Yehudi schluckte aufgeregt. Er befreite das Mädchen und nahm ihm den Knebel aus dem Mund.
    »Was ist passiert, Dhabi?«
    »Ein Mann hat mich überfallen!« keuchte Dhabi.
    »Was hat er mit dir gemacht? Hat er dich unsittlich…?«
    »Nein, Yehudi. Daran hatte er kein Interesse. Ich hörte ihn nicht ins Zimmer treten. Der Staubsauger war zu laut. Als ich das Gerät abschaltete, fiel er über mich her. Ich wollte um Hilfe schreien, doch dazu ließ er es nicht kommen. Mit der Faust schlug er mich nieder…«
    »Dieser brutale Kerl!« sagte Yehudi entrüstet.
    »Ich war sofort bewußtlos. Als ich wieder zu mir kam, lag ich im Schrank. Ich kann dir nicht sagen, wie schrecklich das für mich war. Ich konnte mich kaum rühren. Mir war furchtbar heiß, und ich hatte das Gefühl, am Knebel zu ersticken.«
    »Verdammt, aus welchem Grund hat der Kerl dich überfallen?«
    Dhabi schob ihre Hände in die Taschen ihres Arbeitskleides und stellte fest, daß ihr Generalschlüssel fehlte.
    Das also war der Grund gewesen, weshalb der Mann über sie hergefallen war.
    Sie sagte es Yehudi.
    »Ein Hoteldieb!« vermutete der Zimmerkellner.
    »Wir müssen sofort etwas unternehmen, Yehudi.«
    »Wie geht es dir?«
    »Ich bin in Ordnung. Ich danke dir dafür, daß du mich…«
    »Unsinn, Dhabi. Dafür brauchst du mir doch nicht zu danken. Wie sah der Kerl aus?«
    Dhabi hatte kein gutes Personengedächtnis. Sie wußte nur eines mit Sicherheit: daß der Mann kein Inder gewesen war.
    Und dann fiel ihr noch ein, daß er einen Vollbart gehabt hatte.
    Aber das war auch schon alles, woran sie sich erinnerte.
    Yehudi und Dhabi verließen das Zimmer. Sie waren sich einig, daß der Hotelmanager informiert werden mußte.
    Auf ihrem Weg zu den Fahrstühlen kamen sie an einer Tür vorbei, die nicht ganz geschlossen war.
    Yehudi hätte sich unter normalen Umständen nichts dabei gedacht, aber in diesem besonderen Fall war er doch der Ansicht, daß er so etwas nicht übersehen durfte.
    »Wer wohnt hier?« fragte er das Zimmermädchen.
    »Donna Varese, eine Italienerin«, gab Dhabi Auskunft.
    Yehudi drängte das Zimmermädchen zurück.
    »Was hast du vor?« wollte Dhabi wissen.
    »Nachsehen.«
    »Sei vorsichtig. Wenn der Mann noch drinnen ist…«
    »Egal, was im Zimmer passiert, du gehst nicht hinein, ist

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