0107 - Die Geier und der Wertiger
in seinem Blut, und wenn er darauf hörte, war er gezwungen, Böses zu tun.
Immer transparenter wurden die Geschehnisse für Donna Varese. Wie auch immer John Sinclairs Besuch in Kanheri ausgehen sollte, die Schwarzmagier sicherten sich offenbar rechtzeitig ein Faustpfand, um ihn in jedem Fall in die Knie zwingen zu können.
Johns Zuneigung zu Donna war den Mächten der Finsternis nicht verborgen geblieben.
Darauf bauten sie sogleich ihren hinterlistigen Plan, um den Geisterjäger aus England, falls es nötig sein sollte, unter Druck setzen zu können.
»Ich verachte Sie!« stieß Donna Varese gepreßt hervor.
Der Seemann grinste ungerührt. »Das stört mich nicht.«
»Kidnapping ist ein Verbrechen, McKammit! Dafür werden Sie büßen!«
George McKammit hatte wohl gehört, daß die Italienerin ihn mit seinem Namen angesprochen hatte, aber er reagierte nicht darauf, sondern wies gelassen auf die Tür und sagte: »Gehen wir!«
Donna war von einem innerlichen Beben erfüllt. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken.
Sie wollte sich nicht in ihr Schicksal fügen. Sie wollte den schwarzen Mächten keine Handhabe gegen John Sinclair geben.
Johns Hände sollten nicht ihretwegen gebunden sein.
Donna Varese ergriff den Türknauf. Langsam drehte sie ihn nach links. George McKammit trat neben sie.
Es mußte gelingen!
Blitzschnell riß Donna die Tür auf. Sie knallte mit großer Wucht gegen McKammits Kopf. Die Italienerin wollte sogleich aus dem Zimmer stürzen, doch der Seemann stieß mit beiden Händen die Tür zu, ehe das Mädchen den ersten Schritt tun konnte.
Wumm!
Die Tür flog ins Schloß.
Ein Schlag warf Donna Varese zur Seite. Sie riß einen Stuhl um, auf den sie sich stützen wollte, verlor die Balance und fiel auf den Teppich.
Atemlos drehte sie sich um. Sie trat nach McKammits stämmigen Beinen, sprang auf, jagte durch das Zimmer und versuchte die Balkontür zu erreichen, doch schon in der Mitte des Raumes fing McKammit sie ab.
Zum zweitenmal landete sie auf dem Boden. Diesmal hatte sie Schmerzen in beiden Knien.
Dennoch gab sie sich noch nicht geschlagen. Wie eine Wildkatze schnellte sie hoch. Sie sprang den verhexten Seemann an und versuchte, ihm mit ihren langen Fingernägeln das Gesicht zu zerkratzen. Aber McKammit fing ihre Hände knapp vor seinem höhnisch grinsenden Gesicht ab und schaltete sie mit einem brettharten Faustschlag aus.
Jeden Mann hätte dieser Hieb niedergestreckt.
Donna Varese brach ächzend zusammen.
»Du hast es nicht anders gewollt!« sagte der Seemann mit krächzender Stimme.
Aus seinem Hals sproß ein grauweißer Gefiederkranz, doch es war noch zu früh, sich in einen Raubvogel zu verwandeln, deshalb drängte er dieses andere Aussehen zurück.
Er begab sich zur Zimmertür und öffnete sie vorsichtig. Auf dem Gang war niemand. McKammit schlich zum Lift und drückte auf den Rufknopf.
Dann eilte er zu Donna zurück, lud sich das Mädchen auf die Schulter und trug sie zum Fahrstuhl.
Die Kabine traf ein. George McKammit fuhr mit dem Mädchen bis zum letzten Stock hinauf.
Danach legte er mit seinem Opfer noch einige Stufen zurück und gelangte so auf das Hoteldach.
Von hier oben hatte man einen ungehinderten Blick auf die Arabische See. Gleißendes Sonnenlicht tanzte auf den kleinen Wellen, die wie Flitter glitzerten.
Ein boshaftes Krächzen entrang sich George McKammits Kehle, und nun hatte er nichts mehr dagegen, daß er sich in einen Geier verwandelte.
Er gehörte nicht mehr zu den normal sterblichen Menschen. Sein Leib und seine Seele waren dem Bösen verfallen.
Sollte die MONA LISA soweit wiederhergestellt sein, daß sie auslaufen durfte, dann würde George McKammit nicht auf ihr das Land verlassen, denn sein Platz war jetzt hier.
Seine neue Heimat hieß Indien. Er gehörte nun zu denen, die Bombay in Malagus Auftrag in ein Chaos stürzen würden, damit die schwarze Macht die Herrschaft in dieser Stadt antreten konnte.
Und von hier würde der Siegeszug der bösen Kraft weitergehen.
Malagu hatte große Pläne…
Der riesige Geier packte Donna Varese mit seinen harten Greifern. Er breitete die gewaltigen Schwingen aus und stieß sich kraftvoll ab.
Majestätisch segelte McKammit mit seiner Beute vom Dach des Hotels »Taj Mahal«.
Er genoß dieses herrliche Gefühl der Freiheit in den Lüften. Er machte sich die Aufwinde zunutze und schwebte in einer Spirale nach oben.
Tief unter ihm lagen die Hängenden Gärten, ein Park, der auf Säulen über dem
Weitere Kostenlose Bücher