Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
011 - Die Amazonen von Berlin

011 - Die Amazonen von Berlin

Titel: 011 - Die Amazonen von Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
wandte sich ohne jede Regung ab, als wäre er ein völlig Fremder. Sie setzte sich auf den Thron und zupfte an den Ärmeln ihrer olivgrünen Fliegerjacke.
    Die beiden Frauen, die den Dampf im Raum verteilt hatten, rutschten auf Knien zu ihr und hockten sich unterwürfig neben den Thron.
    Matt bemühte sich, Blickkontakt mit Jennifer aufzunehmen. Er nahm an, dass es einen triftigen Grund gab, weshalb sie so tat, als würde sie ihn nicht kennen. Ihre Blicke trafen sich.
    Die Kanadierin musterte ihn einen Moment. Matt suchte nach einem Zeichen des Erkennens in ihren Augen, einem Hinweis darauf, dass sie wusste, wer er war und dieses Spiel nur spielte, weil es notwendig war - vergeblich. Jennifer zwinkerte ihm nicht einmal zu. Ihre ganze Körpersprache drückte Überlegenheit und Abscheu aus.
    Was war mit ihr geschehen?
    »Siehst du die Flügel, meine Königin?«, krächzte eine Stimme hinter ihm. »Er ist ein Abgesandter der Göttin, so wie du.«
    Matt drehte den Kopf und sah eine uralte, gebückt gehende Frau, die den Raum betreten hatte. Sie zog sich mühsam an einem Stock über die Felle und blieb neben ihm stehen. Ihre von Arthritis verkrümmten Finger berührten die stilisierten Flügel, die an seiner Jacke aufgenäht waren.
    »Siehst du?«, fragte sie erneut.
    In ihrem von tiefen Furchen gezeichnetem Gesicht erschienen nur die Augen lebendig. Dünnes weißes Haar bedeckte ihren Schädel.
    Matt schätzte die Frau auf über neunzig; ein fast unglaubliches Alter in dieser barbarischen Welt, in der die meisten sich glücklich schätzen konnten, wenn sie halb so alt wurden.
    »Ich sehe die Zeichen, Mutter«, bestätigte Jennifer.
    Mutter? dachte Matt irritiert. Seine Gedanken überschlugen sich, während er versuchte, dem Geschehen um sich herum Sinn zu geben. Anscheinend verehrte der Stamm die Quadriga als Götterstatue und hielt Jennifer und ihn aufgrund der Flügelabzeichen auf ihrer Kleidung, die den Flügeln der Quadriga glichen, für Abgesandte dieser Göttin. Deshalb hatten sie Jennifer wohl auch zur Königin gemacht. Warum aber behandelten sie ihn dann wie einen Kriegsgefangenen? Würde man einem göttlichen Abgesandten nicht ein wenig mehr Respekt entgegen bringen?
    Die uralte Frau, die Jennifer »Mutter« genannt hatte, schien seine Verwirrung zu spüren.
    »Du weißt nicht, weshalb du zu uns geschickt wurdest, nicht wahr?«, fragte sie beinahe sanft.
    Matt schüttelte den Kopf. »Nein, das weiß ich nicht.«
    Die Mutter seufzte und ließ ihren ge- brechlichen Körper langsam auf die Felle sinken. Eine der Kriegerinnen half ihr dabei.
    »So ist es besser«, sagte die Mutter, als sie endlich saß. »Lass mich dir erklären, warum die Göttin Qadra, die über allen anderen Göttern steht, dich und die Königin an diesen Ort geführt hat. Sie…«
    »Willst du einem Mann unsere Bräuche erklären?«, unterbrach Jennifer sie aufgebracht.
    »Es steht ihm nicht zu, solche Dinge zu erfahren!«
    Die alte Frau hob die Hand. »Er kommt aus der Welt der Götter, so wie du damals in deinem fliegenden Wagen. Auch du wusstest nicht, weshalb Qadra dich zum Stamm der Frawen gebracht hatte. Wir mussten es dir erst erklären. Danach warst du bereit, deine Herrschaft anzutreten. Dieser Mann soll dein Lofre werden. Er wird diese Aufgabe besser erfüllen können, wenn er versteht, für welche ehrenvollen Aufgabe Qadra ihn erwählt hat.«
    In Matt keimte ein Verdacht auf. Jennifer war also auf ihre Rolle als Königin vorbereitet worden!
    Das ließ zwei Möglichkeiten zu: Entweder hatte die Kanadierin das Gedächtnis verloren oder man hatte sie einer Gehirnwäsche unter- zogen.
    Wenn Matt den Entwicklungsstand der Frawen richtig einschätzte, war Letzteres unwahrscheinlich…
    Jennifer schien die Begründung der Mutter zu akzeptieren, wenn auch widerwillig.
    Sie zog die Beine an wie ein trotziges Kind und umarmte ihre Knie.
    »Na gut«, entschied sie. »Da er mein Lofre wird, gestatte ich eine Ausnahme. Aber beeil dich ein wenig. Sein Gestank beleidigt meine Nase.«
    Matt hörte ihr kaum noch zu. Das Wort Lofre hatte er bei der ersten Erwähnung nicht wahrgenommen, aber jetzt brannte es sich förmlich in seinen Geist. Lofre, das klang nach Lover…
    Er schluckte.
    Anscheinend wollten die Frawen, dass er Jennifers Geliebter wurde.
    ***
    »Sie sind tot«, sagte Gorkan, Häuptling des Stammes der Menen schlicht.
    Die anderen Mitglieder des Ältestenrats reagierten nicht. Es war ihnen anzusehen, dass die Nachricht sie nicht

Weitere Kostenlose Bücher