011 - Sanatorium der Toten
die Tür.
»Madame
Marleaux«, rief der Polizist. »Professor Mineau. Er möchte Sie etwas fragen.«
Larry ging
auf den Treppenaufgang zu, während der Professor die Besitzerin des Chatte
Noire zur Seite nahm. Er hörte den großen, ernsten Mann noch sagen: »Sie haben
die Kranke also zuerst gesehen. Ich habe ein paar wichtige Fragen an Sie, die
ihr Verhalten betreffen, das ist sehr wichtig für mich, damit ich ein Bild über
die Krankheit erhalte und eine gezielte Therapie einleiten kann, um…«
Dann verstand
er nichts mehr. Er sah, daß Mama Marleaux den Professor in ihr Wohnzimmer
führen wollte, aber daran hatte der offensichtlich kein Interesse. Das Gespräch
mit Madame Marleaux dauerte keine fünf Minuten, dann wollte Professor Mineau
wieder gehen. Er hatte jedoch die Haustür noch nicht erreicht, als Larry neben
ihm stand und ihn ansprach.
»Herr
Professor?«
Der
Angesprochene sah ihn kaum an. Er war in Eile. Professor Mineau war ein
gehetzter, überarbeiteter Mensch, ein Mann, der dringend Erholung nötig hatte.
Man sah ihm an, daß er sich nicht schonte.
»Ich habe
keine Zeit, mein Herr, es tut mir leid«, lautete die ablehnende Antwort.
»Ich bin mit
der Kranken befreundet, Herr Professor«, erwiderte Larry ungerührt. »Erlauben
Sie mir bitte eine Frage.«
»Wenn Sie
Fragen haben, kommen Sie in mein Sanatorium, dort können Sie Ihre Bekannte zu
den vorgeschriebenen Besuchszeiten sehen und eventuell auch sprechen.« Er war
schon an der Tür. Der Polizist drückte die Klinke herab wie ein Diener, der nur
darauf gewartet hatte.
»Aber ich muß
die Frage an Sie stellen, Herr Professor.« Larry ließ nicht locker. Doch der
Angesprochene reagierte nicht. »Sagen Sie, Herr Professor, ist es möglich, daß
Irrsinn ansteckend sein kann.«
In den
dunklen Augen des Professors blitzte es auf. »Ansteckend? Unsinn, das gibt es
nicht.«
»Ich dachte
nur. Ich mußte gerade an einen Fall von Irrsinn denken, der sich gestern in den
frühen Morgenstunden gar nicht weit entfernt von hier ereignet hat. Ich glaube,
Mademoiselle Gourmon hieß die Dame.«
Professor
Mineau nickte. »Richtig, ich erinnere mich. Aber das hat mit dem, was hier
geschehen ist, nichts zu tun. Es gibt keinen Grund zur Besorgnis, wenn ich
damit Ihre Frage beantworten kann. Niemand ist gefährdet. Daß innerhalb von
vierundzwanzig Stunden aus unmittelbarer Nachbarschaft zwei Fälle in meine
Klinik eingeliefert werden, ist purer Zufall, Monsieur.«
●
An diesem
Vormittag kam Larry Brent nicht zur Ruhe.
Er wollte
einige Dinge klären, und es erschien ihm wichtig, mit dem Polizeichef von Niort
ein vertrauliches Gespräch zu führen. Auf diese Weise erfuhr er auch einiges
über den Stand von Dingen, die ihn mit einem Male zu interessieren begannen.
Da war
zunächst die Sache mit dem Ex-Kommissar Chagan. Der Beamte, der seit elf
Monaten pensioniert war, wurde seit dem vergangenen Abend vermißt.
Polizeistreifen suchten die Wiesen und Wälder ab. Larry blätterte die dünne
Akte durch. Man hatte die alte Louise vor einer halben Stunde vernommen. Ihre
Aussage war interessant. Sie hatte Chagan offensichtlich zuletzt gesehen. In
der Nähe der unheilbringenden Ruine, wie sie sich ausgedrückt hatte…
»Das
Grundstück wird von uns untersucht, aber es ist kaum anzunehmen, daß wir dort
etwas Nennenswertes finden«, sagte Polizeichef Sallan auf eine diesbezügliche Bemerkung.
»Es bleibt natürlich abzuwarten, wie das Untersuchungsergebnis ausfallen wird.
Hoffentlich ist er nicht in die Sümpfe geraten, doch das kann ich mir kaum
denken, er kannte die Gegend wie kein zweiter. Er trieb sich in den letzten
Monaten ständig dort herum. Er war besessen von dem Gedanken, doch noch auf
eine Spur zu stoßen. Kurz vor seiner Pensionierung verschwand in dem
Sumpfgebiet Poitevin ein Mädchen spurlos.«
»Ja, ich
weiß.«
Larry warf
noch einen letzten Blick auf eine Fotografie Chagans und klappte den
Aktendeckel dann zu. »Welche Dinge beschäftigen Sie im Augenblick noch?«
Larry hatte
sich als Agent der PSA ausgewiesen. Das war etwas, was er nur in Ausnahmefällen
tun durfte. Dies hier war einer. Und wie zu erwarten gewesen war, hatte der Polizeichef
von Niort nichts über die PSA gewußt. Nur wenige waren eingeweiht. In
Frankreich vielleicht vier oder fünf Personen. Der Beamte hatte mit seiner
vorgesetzten Dienststelle telefoniert, und die wiederum hatte in Paris
nachgefragt. Vom Innenministerium schließlich war der entscheidende
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