0110 - Die Geistergrotte
Thalad seine Schwertwunden behandelt hatte, konnte er konstatieren, daß die Heilkunde im Land Myragon hoch in Blüte stand.
Und Zamorra hatte weitere Sonderwünsche. Er behauptete, daß er Livana nur helfen könne, wenn er mit ihr allein sei. Sonst, so sagte er, sei es ihm nicht möglich, seine übernatürlichen Kräfte zu entfalten.
Davon wollte Riglandel jedoch nichts wissen. Zamorra verstand das. Der wirkliche Zygor hätte ein Alleinsein mit dem Mädchen sicherlich zu neuen Schandtaten genutzt. Immerhin erklärte sich der Fürst damit einverstanden, daß die »Enthexung« Livanas in einer Ecke der Folterkammer außer Hörweite der übrigen Anwesenden vonstatten ging. Und genau darauf kam es dem Professor an.
»Wisse eins, Magier des Bösen«, gab ihm der Fürst noch mit auf den Weg. »Versuchst du, mich zu täuschen, erleidest du einen Tod, der dich wünschen läßt, noch einmal auf das Rad des Feuers geschnallt zu werden.«
Zamorra nickte dazu nur.
Wenig später hockte er mit Nicole in einem Winkel des Raums. Er selbst mußte mit dem kalten Steinboden vorlieb nehmen, während das Mädchen von »ihrem Vater« mit einem weichen Sitzkissen versehen worden war.
Argwöhnisch beobachtet von den Myragonern - zwei von ihnen hatten schußbereite Pfeile auf ihren Bogensehnen liegen - konnten sich Zamorra und Nicole erstmals wieder ungestört unterhalten.
Nicole hatte ganz verweinte Augen, und ihre Stimme zitterte.
»Gütiger Himmel, Chef, was machen Sie mit dir? Hier, nimm mein Kissen.«
»Laß das, Nicole«, sagte Zamorra warnend. »Dein Daddy könnte es in den falschen Hals kriegen. Setz dich ganz ruhig hin und hör mir gut zu.«
So schnell er konnte, machte er Nicole mit der Situation vertraut. Nicole war ein sehr intelligentes Mädchen. Sie begriff sofort. Ihre Besorgnis wurde deswegen allerdings nicht geringer.
»Aber Chef, wie soll denn diese… äh… Enthexung vor sich gehen? Riglandel wird doch merken, daß sich in meinem Verhalten nach wie vor nichts verändert hat.«
»Das ist der springende Punkt«, sagte der Professor. »Dein Verhalten muß sich ändern. Wenn du gleich wieder zu Riglandel gehst, wirst du so tun, als ob du ihn endlich als deinen Vater wiedererkennst. Du wirst lieb und nett zu ihm sein - wie es sich für eine Tochter gehört. Du wirst wissen, daß du dich im Lande Myragon befindest und dich ein böser Magier namens Zygor entführt hat. Natürlich, deine Kenntnisse von den Dingen werden nur ganz oberflächlich sein. Aber das liegt daran, daß deine sogenannte Enthexung Zeit braucht. Ich werde dich noch mehrmals behandeln müssen, um dir dein Erinnerungsvermögen voll zurückzugeben. Auf diese Weise bekommen wir höchstwahrscheinlich Gelegenheit, uns noch ein paarmal zu sehen. Und ich brauche nicht zu befürchten, daß man mich auf der Stelle füsiliert.«
Nicole nickte. »Ich verstehe schon, auf was du hinaus willst. Nur… Chef, mir ist dieser Dämon Hamaroth nicht erschienen und hat mich die Sprache dieser Myragoner gelehrt. Wie soll ich mich verständlich machen?«
»Du hast eine rasche Auffassungsgabe, meine Liebe. Ich werde dir gleich ein paar Sprachlektionen erteilen. Daß du nicht gleich perfekt bist… Nun, wie ich schon sagte - dein Erinnerungsvermögen kehrt nur langsam zurück. Alles klar?«
»J… ja.«
»Bon, fangen wir an.«
Zamorra machte Nicole mit den wichtigsten Begriffen der myragonischen Umgangssprache bekannt. Dabei war er sich bewußt, daß ihn Riglandel, seine Folterknechte und die beiden Frauen, die Nicole gebracht hatten, jederzeit scharf im Auge hatten. Um seiner Enthexungszeremonie mehr Glaubwürdigkeit zu geben, vollführte er während seines Sprachunterrichts allerlei scheinmagische Handbewegungen. Er hoffte, den sichtbaren Argwohn der Myragoner dadurch zerstreuen zu können.
Nicole erwies sich als gelehrige Schülerin. Sie hatte ein vorzügliches Gedächtnis und behielt fast alles, was er ihr sagte. Von sich aus erkundigte sie sich nach einigen Begriffen, die dem Professor zu denken gaben.
Warum wollte sie unbedingt wissen, welches die myragonischen Entsprechungen für Begriff wie »Zelle«, »Gefangenenwärter«, »Fürstenbefehl« oder »Türöffnen« waren?
»Was hast du vor, Nicole?« fragte Zamorra sie ahnungsvoll.
»Ist das so schwer zu erraten, Chef?« gab das Mädchen zurück. »Sie wérden dich nachher wieder in deine Zelle zurückbringen. Ich will versuchen, dich rauszuholen, damit wir gemeinsam fliehen können.«
Zamorra hatte den
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