0112 - Acht Minuten nach Mitternacht
getan.«
»Mein Kollege hatte nicht so ganz Unrecht. Ich habe den Eindruck, dass der Fall mit Riesenschritten seiner Lösung entgegengeht. Auch in Bezug auf die Pistole muss ich ihm beipflichten. Ich werde Ihnen eine besorgen. Um aber das Ende gleich vorwegzunehmen. Es wurde mir heute Morgen dringend geraten, New York zu verlassen und Sie mitzunehmen. Es gibt hier Leute, die uns nicht mögen. Ich selbst denke nicht daran, aber Sie werden dieser Aufforderung folgen.«
»Ich?«, entgegnete sie gedehnt. »Wohin soll ich denn gehen?«
»Das will ich Ihnen gerade erklären. Sie werden heute Nachmittag einen Koffer packen, der alles enthält, was Sie innerhalb einer Woche brauchen. Sie werden ebenfalls eine Flugkarte nach Los Angeles bestellen. Die Maschine verlässt New York um neun Uhr dreißig heute Abend. Um halb neun nehmen sie sich ein Taxi, nachdem Sie Auftrag gegeben haben, Ihr Gepäck zum Flughafen zu bringen. Dieses Taxi verlassen Sie irgendwo und vergewissern sich, dass Sie nicht verfolgt werden. Nötigenfalls machen Sie es genauso, wie ich es soeben tat, und benutzen verschiedene Verkehrsmittel, bis Sie ganz sicher sind. Erst dann kommen Sie auf dem schnellsten Weg zu mir. Ich gebe Ihnen den Schlüssel, da ich selbst nicht zu Hause sein werde. Sie können auf mich warten oder schlafen gehen. Ganz wie Sie wollen. Wenn es klingelt, so antworten Sie nicht, und wenn das Telefon sich meldet, lassen Sie’s rasseln. In der rechten Schublade meines Schreibtisches liegt eine Pistole. Sie ist geladen und gesichert. Können Sie damit umgehen?«
»Ja, aber ich kann doch nicht bei Ihnen campieren.« Sie wurde über und über rot. »Sie sind doch…«
»Ich weiß schon. Ich bin ein Junggeselle, ein schlechter Kerl, ein Frauenjäger und so weiter. Ich mache Sie jedoch darauf aufmerksam, dass Sie nirgends so sicher sind wie in meiner Wohnung. In dem großen Schrank im Schlafzimmer liegt frische Bettwäsche. Beziehen Sie sich das Bett. Ich werde im Wohnzimmer auf der Couch schlafen. Sie brauchen keine Angst zu haben.« Jetzt konnte ich es mir nicht verkneifen zu grinsen.
»So habe ich das ja nicht gemeint«, stotterte sie verlegen, »ich dachte nur…«
»Überlassen Sie das Denken in diesem Falle ruhig mir. Sollten Sie Hunger haben, so bedienen Sie sich. Der Kühlschrank ist recht gut versorgt, Kaffee und Tee stehen im Küchenschrank. Haben Sie sonst noch irgendwelche Fragen oder Wünsche?«
»Nein. Glauben Sie denn wirklich, das sei nötig?«
»Ich weiß es nicht, aber es hat schon genug Tote gegeben. Ich habe den Eindruck, als ob man ahne, wer Sie sind, und es ist augenblicklich recht gefährlich, wenn man Evelyn Masters heißt. Zweifellos gibt es Leute, die Sie auf den Mond oder fünf Fuß unter die Erde wünschen. Da der erste Wunsch unerfüllbar ist, könnte man auf den Gedanken kommen, den zweiten in die Tat umzusetzen.«
»Was wird aber aus Ihnen?«, fragte sie. »Man hat Sie doch genauso bedroht wie mich.«
»Machen Sie sich um mich keine Sorgen, Evelyn. Ich bin abgebrüht. Es haben so viele Leute erfolglos versucht, mir zu einem Staatsbegräbnis zu verhelfen, das ich anfange, mich für unsterblich zu halten.«
Sie lachte.
»Eingebildet sind Sie gar nicht, Jerry«, sagte sie. »Kommen Sie übrigens nicht so spät nach Hause und machen Sie keinen Krach. Ich lasse mich ungern im ersten Schlaf stören.«
Die Tonart gefiel mir. Evelyn war ein wirklich prächtiges Mädel. Jede andere wäre bestimmt in ein Mauseloch gekrochen. Sie brachte es sogar noch fertig, Witze zu reißen.
Kaum war ich im Office angekommen, als ich am Telefon verlangt wurde. Es war eine rauhe und grobe Stimme, die ich sicher noch nie gehört hatte.
»Ist das Mr. Cotton, Jerry Cotton?«
»Ja, was wollen Sie?«
»Nichts.« Und dann hängte der Kerl ein.
»Hast du schon so etwas erlebt?«, sagte ich zu Phil. »Da ruft so ein Affe an, verlangt mich - und dann will er nichts.«
»Entweder es war ein Idiot, oder aber er wollte sich darüber informieren, ob du da bist. Ich habe so eine Ahnung, als ob wir noch Besuch bekämen.«
»Mir soll’s recht sein.«
Neville kam herüber, um sich zu erkundigen, ob wir etwas von seinen alten Freunden Lotti und Pinorski gehört hätten, und leider musste ich ihn enttäuschen. Die beiden wohnten immer noch im RITZ TOWER und benahmen sich wie solide Bürgersleute.
»Ich möchte ihre Gesichter sehen, wenn ich dort plötzlich auf tauche«, feixte Neville. »Ob sie wohl der Schlag treffen
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