0112 - Das Hexendorf
werde Professor zu dir sagen.«
Er wandte sich Bill Fleming zu und fragte: »Und was ist mit dir?«
»Okay, nenn mich Bill.« Bill Fleming hob sein Glas. »Aber ich bin Amerikaner, auf die Trinkerei können wir verzichten.«
»Geene Gultur«, brummte Frantisek Gabö. »Aber was soll man von einem Ami schon anders erwarten? Sind doch erst seit 1776 eene Nation, aber was für eene. Halbstarke, Banausen.«
»Erlauben Sie mal!« rief Bill Fleming mit hochrotem Kopf.
»Nich offregen. Außerdem sind wir per Du.«
»Wenn du mein Land noch einmal beleidigst, werfe ich dich die Treppe hinunter, du Kaffeesachse, du!«
»Na ja, wer kann schon die Wahrheit vertragen? Dann werde ich mal lostippeln und meine Lauscher ausstrecken. Wir treffen uns dann heute abend hier im Hotel.«
Frantisek Gabö warf einen Blick auf den Slibowitz, aber Zamorra machte keine Anstalten, ihm noch etwas einzuschenken. Als die Tür sich hinter dem Landstreicher geschlossen hatte, schüttelte Bill Fleming den Kopf.
»Was für eine Type! Glaubst du wirklich, er könnte uns etwas nützen, Zamorra?«
»Allerdings. Frantisek Gabö ist pfiffig, nicht übermäßig feige, und er hat ein goldenes Herz.«
»Mag sein, aber äußerlich sehe ich nun mal sein verschwitztes, dreckiges Hemd, das Bartgestrüpp und die Säufemase. Aber vielleicht hast du recht, der Hexenzirkel wird Frantisek Gabö kaum für voll nehmen, das kann ein Trumpf für uns sein.«
»Genau, Bill. Ich will mich jetzt zur Polizeistation begeben.«
»Und ich spitze den Portier an.«
***
Auf der Polizeistation erfuhr Zamorra nichts. Niemand wußte etwas von einer Französin oder überhaupt von einer jungen Ausländerin. Als Zamorra die Polizeistation verließ, war es kurz nach 19 Uhr. Die Sonne stand bereits sehr tief über dem Wald im Westen.
In Czerkössy ging es beschaulich zu. Die meisten Häuser waren alt, nur in den Stadtrandgebieten gab es moderne Bauten. Zamorra schlenderte durch den Ort und hing seinen Gedanken nach. Sein magisches Amulett trug er um den Hals, den kleinen Koffer und die restliche Ausrüstung hatte er im Hotelzimmer gelassen und in den Schrank eingeschlossen.
Der Marktplatz von Czerkössy stammte noch aus dem Mittelalter. Fachwerkhäuser, meistens mit Geschäften im Erdgeschoß, umgaben ihn, vor einem Gasthaus hing von einem Ausleger die vergoldete Figur eines bärtigen Mannes mit Schwert.
Fürst Georg Rakoczi lautete der Name des Gasthauses, das war ein Freiheitsheld in der Zeit der Türkenkriege gewesen.
In der Mitte des Marktplatzes gab es einen prächtigen steinernen Brunnen mit drei Wasserspeierköpfen. Dort tollten Kinder und bespritzten sich. Neben einem Straßencafé saßen Männer und Frauen und auch eine Gruppe junger Leute, die ihre Mopeds aufgebockt hatten.
Die Clique hatte Jeanshosen an, die auch im Ostblock die Standarduniform der Jugend bildeten, und wenn die Funktionäre noch so wetterten.
Zamorra betrachtete den Marktplatz und die Menschen. Plötzlich zuckte er zusammen. An einem kleinen Tisch allein saß Nicole Duval. Sie trug einen Hosenrock und eine mit Stickereien versehene ungarische Folklorebluse. An ihrem Hals glänzte eine Kette mit einem breiten goldenen Anhänger.
Zamorra stutzte. War es ein Zufall, daß er Nicole hier sah, oder handelte es sich um eine Falle? Er war nicht der Mann, einer Entscheidung auszuweichen.
Da kein Stuhl mehr frei war, holte sich Zamorra einen aus dem Lokal und setzte sich zu Nicole Duval an den Tisch. Seinen Gruß erwiderte sie nicht, sie schaute durch ihn hindurch. In ihrem Gesicht war etwas Fremdes, ihr Blick jagte Zamorra einen Schauer über den Rücken.
Nicole Duval rauchte eine Zigarette mit Goldmundstück. Ein Gläschen Likör und eine halbvolle Tasse Kaffee standen vor ihr auf dem Tisch.
Die Gespräche rundum verstummten. Manche Männer und Frauen, Burschen und Mädchen schauten Zamorra und Nicole mit dem Ausdruck unverhohlenen Entsetzens an.
Der schnurrbärtige Kellner eilte an den Tisch. Er redete auf Zamorra ein. Als er merkte, daß er einen Ausländer vor sich hatte, der ihn nicht verstand, packte er Zamorra am Ärmel und zog ihn beinahe mit Gewalt hoch und ins Lokal. Er führte ihn ins Nebenzimmer, der Cafébesitzer erschien, er sprach einigermaßen Englisch.
Er stellte sich als Janos Braucusi vor. Zamorra nannte seinen akademischen Grad und seinen Namen. Er gab an, ein Buch über Transsylvanien schreiben und lokale Eindrücke sammeln zu wollen.
»Dagegen hat niemand etwas,
Weitere Kostenlose Bücher