0116 - Der Traum-Dämon
ziemlich gradlinig an Euston und Marylebone vorbei ins Zentrum Londons führte, sozusagen der Ausnahmezustand. Baustelle reihte sich an Baustelle, und das Verkehrsaufkommen war gewaltig. Nur während der Rush-hour in London ging es noch schlimmer zu.
Shao schlief bereits, und so kam Suko noch auf einen Sprung mit zu mir – und da erwartete uns eine Überraschung.
Sie hieß Jane Collins, war Privatdetektivin – und mir beileibe nicht gleichgültig.
Wir erzählten ihr, was geschehen war, und dann schloß sich beinahe nahtlos die Lagebesprechung an. Schon mehr als einmal hatte sich Jane recht aktiv an der Dämonenbekämpfung beteiligt. Und erfolgreich dazu: Sie war es gewesen, die Grimes, den Ghoul, letztendlich erledigt hatte.
Keine Frage also, daß sie mit Feuereifer bei der Sache war.
Vergessen war der eigentliche Grund ihres Kommens. Ich kenne ihn bis heute nicht.
Die Zeit verging.
Wir redeten uns die Köpfe heiß. Tausend Hypothesen stellten wir auf, kauten sie durch und verwarfen sie wieder.
Suko hatte es sich im Ohrensessel bequem gemacht. Er starrte auf seine Fingerspitzen, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen.
Jane Collins und ich lümmelten auf der Wohnlandschaft.
Tiefe, schwarze Ringe lagen um Janes Augen, ihr Blondhaar war zerzaust. Ihren Sex-Appeal hatte sie trotzdem nicht eingebüßt.
Wenn ich ganz genau hinhörte, konnte ich die Luft in ihrer unmittelbaren Umgebung knistern hören…
Wir waren an einem toten Punkt angelangt.
Das Schweigen, das sich wie eine dicke, gläserne Wand zwischen uns aufgebaut hatte, nervte mächtig.
»Besser, wir machen Schluß für heute. Morgen früh werden wir weitersehen«, meinte ich lakonisch.
Suko nickte. »Ich glaube, wir müssen darauf vorbereitet sein, daß die Geschehnisse von heute abend nichts Gutes zu bedeuten haben. Ich habe ein mulmiges Gefühl im Magen.«
Jane pflichtete ihm bei: »Da geht es mir nicht anders.«
»Na, wenigstens sind wir uns in dieser Hinsicht einig«, räumte ich ein.
»Ihr fahrt wieder hinaus?« fragte Jane. Ich nickte.
Da trat jenes unternehmungslustige Glühen in Janes Augen, das ich so gut kenne. »Vielleicht könnte ich…« Sie unterbrach und schlug sich gegen die Stirn. »Ach, verflixt, geht ja gar nicht. Ich muß morgen früh ganz dringenden Papierkram erledigen. Das Finanzamt schreit nach Blut …«
Insgeheim atmete ich auf. Aber natürlich hütete ich mich, dies zu zeigen. In dieser Hinsicht verstand Jane absolut keinen Spaß. So also machte ich ein zerknirschtes Gesicht und heuchelte: »Schade…«
Jane durchschaute mich trotzdem. »Tu nur nicht so!« sagte sie gefährlich gelassen und sah mich aus schmalen Augen an. Sie hatte ihre aufregend langen Beine übereinandergeschlagen und wippte mit den schwarzen, hochhackigen Schuhen.
»Ich bin unschuldig!«
»Du und unschuldig!«
Ich seufzte.
Suko stand auf und streckte sich. »Schont eure Kräfte«, versetzte er grinsend.
»Sie hat angefangen!« Ich deutete zu Jane hin und bemühte mich, entrüstet auszusehen.
Jane setzte sich kerzengerade auf. »Ich -«
Gönnerhaft winkte ich ab. »Schon gut. Ich verzeihe dir!«
»Scheusal!«
»Was tut man nicht alles, um zufriedene Freunde zu haben!«
Sukos Grinsen wurde noch breiter. Er klopfte mir auf die Schulter, dann verabschiedete er sich von Jane und mir. Wir begleiteten ihn zur Tür. Er nickte uns zu, überquerte den Korridor und verschwand auf Zehenspitzen in seiner Wohnung. Er nahm Rücksicht auf seine Freundin Shao. Er wollte sie nicht aufwecken.
»Rufst du mich morgen an?« fragte Jane unvermittelt.
»Besorgt?«
»Hmm.«
»Unkraut vergeht nicht.«
»Das kann man nie wissen«, versetzte sie und lächelte honigsüß.
Das war ihre Rache für vorhin.
Doch wenn sie so lächelte, kam ich meistens auf dumme Gedanken. Ich zog sie zu mir heran, legte meine Arme um sie. Sie duftete nach Maiglöckchen. Ich schnupperte und verdrehte meine Augen. »Du könntest bei mir übernachten, Fräulein Privatdetektiv«, schlug ich hinterhältig vor.
Natürlich durchschaute sie auch das. »Lieber nicht!« Sie ging auf Distanz.
»Vertraust du mir etwa nicht?« Ich legte Entrüstung in meine Stimme.
»In der Angelegenheit nicht besonders, lieber John!«
Ich seufzte melodramatisch und zuckte die Schultern. »Dann eben nicht. Schade!«
»Du wirst darüber hinwegkommen, Oberinspektor Sinclair. Und wenn du morgen früh frisch und ausgeruht aufwachst, bist du mir dankbar. Wetten?«
Das war immerhin ein Argument.
Ich
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