0116 - Der Traum-Dämon
draußen, in Hampstead, geht irgend etwas vor sich…«
»Ich kümmere mich darum!« versprach ich und war mit meinen Gedanken plötzlich ganz weit weg.
Zaandaar!
Da war er wieder, der Name!
»… erwarte ich auch von Ihnen!« brachte sich Sir Powell in Erinnerung. »Am besten, Sie fahren gleich los. Der Leichnam wurde vor zehn Minuten gefunden. Von Mrs. Wyndbogh. Sie ist völlig außer sich. Ich habe über die örtliche Polizeidienststelle einen Bobby zum Tatort beordert. Er hält die Stellung, bis Sie und die Kollegen von der Mordkommission kommen. Fahren Sie hin, John, und sehen Sie sich um. Die Wyndboghs wohnen Aldersgate 317. Die Straße liegt ziemlich am Stadtrand von Hampstead, kaum zu verfehlen.«
Ich versprach Sir Powell, das Zähneputzen heute ausnahmsweise ausfallen zu lassen, und legte auf.
Das Puzzle in meinem Kopf war in Bewegung geraten. Einige Teile hatten sich wie selbstverständlich zusammengefügt.
Und es hatte einen Toten gegeben.
Verdammt…
Wie der Blitz fegte ich aus den Federn.
Ich beeilte mich tatsächlich. Wieder meldete sich das Gefühl drohender Gefahr in mir, mit dem ich schon eingeschlafen war. Wie Lava brodelte es in mir.
Hier ging es nicht allein um den toten Mr. Wyndbogh. Hier ging es um mehr. Um viel mehr. Zaandaar, der Traum-Dämon, hatte seine Klauen im Spiel. Das war mir klar.
Den Besuch im Wald von Hampstead Heath mußte ich zwangsläufig verschieben, aber um höchstens eine Stunde. Zuerst wollte ich mir den Leichnam Mr. Wyndboghs ansehen.
Ich war fix und fertig angezogen und steckte die Beretta in die Schulterhalfter. Dann schnappte ich meinen Einsatzkoffer und fegte aus der Wohnung.
Ich schellte bei Suko.
Mein chinesischer Freund schien an der Tür gelauert zu haben, denn sie wurde augenblicklich aufgerissen.
Suko wirkte trotzdem noch ziemlich verschlafen. Er stand im Morgenmantel vor mir. »Sag mal…«, begann er.
Ich informierte ihn im Telegrammstil über Sir Powells Anruf.
Suko und ich sind ein eingespieltes Team. Er stellte keine überflüssigen Fragen. »Ich ziehe mich nur rasch an«, sagte er.
Ich stoppte ihn. »Das dauert mir zu lange«, sagte ich hastig. »Ich fahre jetzt gleich. Kommst du mit deiner Harley nach, okay? Wir treffen uns auf dem Parkplatz beim Friedhof von Hampstead Heath. Und dann nehmen wir uns den Wald vor.«
»Geht klar!«
Bereits zwei Minuten später klemmte ich mich hinter das Lenkrad meines Silbergrauen. Den Einsatzkoffer legte ich neben mich auf den Beifahrersitz, den silbernen Dolch hatte ich mir in den linken Stiefelschaft gesteckt. Eine Vorsichtsmaßnahme.
Dann war ich unterwegs.
Während ich zügig Richtung Bloomsbury fuhr – Gott sei Dank waren noch nicht zu viele Frühaufsteher unterwegs –, wanderten meine Gedanken. Bill Conollys, Sukos und mein Abenteuer im Alptraum-Garten der teuflischen Bildhauerin Lydia La Grange fiel mir ein. Damals hatten wir es auch mit lebenden Statuen zu tun gehabt. Und mehr noch, beinahe wäre ich selbst für alle Ewigkeiten zum Standbild geworden.
Ob es da einen Zusammenhang gab?
Wohl kaum. Lydia La Grange lebte nicht mehr. Und ihren Mentor, den Schwarzen Tod, hatte ich ebenfalls dorthin geschickt, wohin er schon lange gehörte: In die tiefste Hölle.
Aber der Satan ist bekanntlich ein Eichhörnchen und sorgt für die Seinen…
Ich erwischte eine grüne Welle und trat das Gaspedal durch. Die New Oxford Street hoch, dann in die Tottenham Court Road. Linkerhand ragte der Post Office Tower auf. Dahinter lag der Regents Park und die Nash Terraces, das einstige Jagdrevier der Könige, das 1812 zum Garten umfunktioniert worden war. Die legendäre Baker Street war auch in der Nähe.
Wenn es weiterhin so gut lief, war ich in Rekordzeit in Hampstead draußen. Fortuna schien sich für gestern abend revanchieren zu wollen.
Wurde auch Zeit.
Gestern die indirekte Konfrontation mit Zaandaar, die Geistererscheinung, die Ghouls.
Und jetzt ein steinerner Löwe, der einen angesehenen Immobilienmakler umbrachte.
Ich war gespannt, was ich als nächstes geboten bekam.
Ich brauchte nicht einmal lange darauf zu warten.
Das Grauen hatte seine Kräfte bereits mobilisiert…
***
Die Angst krallte sich wie eine bösartige Bestie in seinem Herzen fest. Alles in ihm schrie: Lauf weg! Steh nicht herum, hau ab, bring dich in Sicherheit! Dem armen Teufel kannst du sowieso nicht mehr helfen!
Aber diese Stimme ignorierte Jeremy McClousen.
Er ignorierte sie ebenso wie das häßliche, nervzerfetzende Fiepen
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