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0116 - Der Traum-Dämon

0116 - Der Traum-Dämon

Titel: 0116 - Der Traum-Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Eisele
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Gasse, die von schäbigen Wohnsilos gesäumt wurde. Zusammen mit dem Nebel ergaben die grauen Häuserfassaden erst recht ein trostloses Bild.
    Es war still. Die Straßen menschenleer. Um diese Zeit hatten die Schichtarbeiter längst ihre Frühschicht angetreten, und das Gros der Angestellten schwärmte erst in gut einer Stunde aus. Dann begann das tägliche Chaos in London. Rush-hour nannte man das.
    Ich fuhr langsamer. Der Nebel wurde dichter. Glitzernd tanzten winzige Partikelchen unter der Berührung des Abblendlichts auf.
    Man mußte höllisch aufpassen.
    Aber das war es nicht, was mir den kalten Schweiß auf die Stirn trieb!
    Wie ein Phantom tauchte er vor mir aus dem wogenden Nichts!
    Ein Mensch, der auf dem Boden lag und wie von Sinnen um sich schlug! – Ein Polizist!
    Dahinter, knapp zwei Yards entfernt, lag eine zweite Gestalt.
    Reglos, Verkrampft.
    »Guter Gott!« entfuhr es mir.
    Und gleichzeitig rammte ich auch schon meinen Fuß auf das Bremspedal. Jetzt zahlte es sich aus, daß ich nicht wie ein Irrer gerast war. Auf kürzeste Distanz kam der Bentley zum Stehen. Die Reifen radierten nicht einmal über den glänzenden, wie gelackt wirkenden Asphalt.
    Trotzdem kam es mir unheimlich lange vor, bis mein Wagen stand. Ein Knopfdruck: Das Warnblinklicht zuckte auf. Mit einem wilden Ruck löste ich den Sicherheitsgurt und drückte die Tür auf.
    Wie ein Springteufel kam ich aus dem Wagen.
    »Hey, Mister!« brüllte ich.
    Er antwortete mir nicht.
    Der Bobby wälzte sich krampfartig herum. Als hätte er es mit tausend unsichtbaren Gegnern zu tun. Aber da war niemand! Er kämpfte gegen die Luft!
    Den Gummiknüppel hatte er verloren. Seine Fäuste wirbelten behäbig. Die Bewegungen erinnerten jetzt an die einer Aufziehpuppe.
    Ich erreichte den Mann.
    Meine Rechte schoß vor, krallte sich in die blaue Uniform. Schon riß ich ihn hoch. Seine Knie knickten sogleich wieder ein. Ich hielt ihn. Sein Gesicht wandte sich mir zu.
    Ich erschrak.
    Seine Augen waren verdreht. Das Weiße leuchtete mir gespenstisch entgegen. Aus dem aufgerissenen Mund rann Speichel. Wortfetzen quollen heraus. Ich verstand das, was er mir sagen wollte, erst bei genauem Hinhören.
    Der Mann stammelte wie im Delirium.
    »Ratten… Ratten!« keuchte er. »Überall Ratten! Zu viele. Sie lassen mich nicht los! Sie haben sich an mir festgebissen! Überall…«
    »Nur die Ruhe, Mann! Ich helfe Ihnen!« hörte ich mich sagen.
    Er reagierte nicht.
    Aber er schien neue Kraftreserven mobilisiert zu haben. Wieder flogen seine Fäuste hoch.
    Und plötzlich konnte ich sie sehen!
    Ja, plötzlich waren die Ratten da, von denen er gesprochen hatte!
    Als wäre der Film für mich erst jetzt angelaufen! Überall wimmelten sie! Hinter mir! Vor mir! Neben mir!
    Sie hingen tatsächlich an seinen Beinen, seinen Armen!
    Zappelnd, sich windend, fiepend, pfeifend!
    Himmel, das ging doch nicht mit rechten Dingen zu!
    Allerdings blieb mir nicht mehr sonderlich viel Zeit, über das Wie und Warum nachzugrübeln. Die Ratten stürzten sich auch auf mich.
    Ich trat sie beiseite.
    Sich überschlagend wirbelten sie davon und versanken im Meer der ihnen nachdrängenden Leiber.
    Gegen die Übermacht aber hatte ich keine Chance.
    Also Rückzug!
    Ich riß den Bobby zu mir heran. Er brabbelte etwas. Ich hörte gar nicht richtig hin.
    Wie tollwütige Furien sprangen, purzelten, hetzten die Ratten gegen uns. Schon verbissen sich die ersten auch in meine Hose.
    Schon ritzten die ersten scharfen Zähne meine Haut! Mit meiner Beretta konnte ich da nichts ausrichten.
    Das Silberkreuz!
    Ich riß meine Lederjacke auf, dann mein Hemd.
    Das Gleißen und Wabern des Nebels, der die unheimliche Szenerie umfriedete, fing sich auf dem Kreuz, das ich ständig über meiner Brust trage.
    Die Ratten bemerkten es!
    Also doch!
    Ein Spuk!
    Ein Spuk – wie der gestern abend! Der Kloß in meiner Kehle löste sich auf, verschwand. Plötzlich konnte ich wieder freier atmen.
    Die Erkenntnis tat unheimlich gut. Nicht mehr länger hatte ich das beklemmende Gefühl, wie ein Blinder ohne Krückstock im Dunkeln herumzutappen.
    Aber da waren noch immer die Ratten! Sie wichen zwar zurück, aber nur höchst widerwillig, zögernd. Immer wieder zuckte eine vor, griff an…
    Der Bobby fluchte.
    »Wir schaffen es, Mann!« keuchte ich, während ich einer besonders mutigen und fetten Ratte einen Tritt versetzte, der sie aus unserem Gesichtsfeld fetzte.
    Ich hob das Kruzifix hoch.
    Es schien das schwache Licht des Morgens

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