0117 - Schwere Fäuste, leichte Siege
er keuchend hervor. »Was soll ich nur machen? Sie kommt nicht wieder zu sich!«
Ich stand schnell auf. Eine so lange Ohnmacht war in der Tat eigenartig. Unentschlossen blickte ich einen Augenblick auf die Brieftasche des Gangsters in meiner Hand, dann schob ich sie in meine linke Jackentasche und sagte: »Haben Sie einen Hausarzt?«
»Ja, natürlich… Mister…«
Ich unterbrach ihn: »Wissen Sie die Nummer auswendig?«
»LOngacre 4-3215.«
»Okay.«
Ich ging zum Schreibtisch. Phil legte gerade den Hörer auf.
»Krammer kommt mit einem Streifenwagen und zwei Durchsuchungsspezialisten für Archys Wohnung.«
»Danke, Phil. Wir müssen einen Arzt anrufen. Mister Morgans Tochter kommt nicht wieder zu sich. Vielleicht kümmerst du dich weiterhin um sie.«
»Sicher, Jerry.«
Er eilte zum Wohnzimmer hinaus, während ich den Hörer abnahm.
Schnell wählte ich LO und dann die Nummer. Es dauerte verdammt lange, bis sich eine verschlafene Frauenstimme meldete.
»Ja, hallo? Was ist denn los?«
»Hier spricht der FBI-Beamte Jerry Cotton«, sagte ich, weil ich mir von meinem Beruf eine größere Wirksamkeit des folgenden Wunsches versprach. »Ich bin in der Wohnung von Mister Morgan, 22, West 48th Street. Die Tochter von Mister Morgan ist ohnmächtig geworden und kommt nicht wieder zu sich. Bitte, schicken Sie sofort den Doktor. Es eilt.«
Ich hörte am anderen Ende etwas flüstern, dann sagte plötzlich eine männliche Stimme: »Wer spricht dort?«
»G-man Jerry Cotton.«
»Sie sind in Morgans Wohnung?«
»Ja.«
»Himmel, was ist denn los?«
»Das kann ich Ihnen jetzt nicht erklären. Mabel Morgan ist ohnmächtig, und wir kriegen sie nicht wieder ins Bewusstsein zurück. Bitte, kommen Sie sofort, wenn Sie der Doc sind.«
»Okay. Ich bin in drei Minuten da.«
»Danke.«
Ich legte den Hörer auf. Morgan war schon zurück zu seiner Tochter gegangen. Für den Augenblick vergaß ich die Brieftasche des Gangsters und suchte das Zimmer, wo sie das Mädchen hingebracht hatten.
Anscheinend war Phil durch Zufall in das richtige Zimmer geraten. Die ganze Einrichtung brachte deutlich zum Ausdruck, dass es Mabels Zimmer war. Sie lag auf ihrem Bett und rührte sich noch immer nicht. Aber mir kam es vor, als sei ihr Gesicht blasser geworden, noch blasser als es vorher schon war.
Phil versuchte, ihre rechte Hand zu öffnen, die sie krampfartig zur Faust geballt hatte. Interessiert sah ich ihm zu. Zwischen den Fingern konnte man etwas Weißes sehen, was wie Papier aussah.
Endlich hatten seine Bemühungen Erfolg. Vorsichtig zog er ihr ein zusammengeknülltes Papier aus der Hand. Behutsam zupfte er es auseinander, dann lag es plötzlich flach auf seiner ausgestreckten Hand.
Wortlos sah er mich an.
Wortlos blickte ich hinüber zu Rally Morgan.
Man konnte auf dem ersten Blick sehen, dass es ein Briefchen war, eines jener zusammengefalteten Papiere, das man zum Einpacken kleiner Portionen von Kokain verwendet.
***
Well. Von einer bestimmten Seite her gesehen, lagen die Dinge völlig klar. Rally Morgan stand ohnehin im Verdacht, zu einer Bande von Rauschgiftverteilern zu gehören. Wenn man also in der Hand seiner ohnmächtigen Tochter ein Briefchen Kokain fand, so brauchte man eigentlich nicht lange zu rätseln, woher sie es bekommen haben könnte.
Besorgt sahen wir auf das Mädchen, das sich noch immer nicht rührte. Wir waren beide keine Ärzte, und wir hielten es nicht für angebracht, irgendetwas zu tun, von dem wir nicht wissen konnten, ob es ihr nicht vielleicht mehr schaden als nützen könnte. Andererseits ging dieses tatenlose Herumstehen an die Nerven.
Ich trat zurück an die Wohnungstür. Gerade als ich sie erreicht hatte, klingelte es. Rasch öffnete ich die Tür. Ein älterer Mann mit einer schwarzen Tasche stand draußen. Er trug zwar einen Anzug, aber sein Hemd war am Hals offen, und die Krawatte fehlte völlig.
»Gott sei Dank«, murmelte ich. »Sie sind der Doc, nicht wahr?«
Er nickte nur und schob sich an mir vorbei in die Wohnung. Hinten links erschien Morgan aus dem Zimmer seiner Tochter. Auch er war sichtlich erfreut, dass der Arzt endlich erschienen war.
Der Doc ging in das Zimmer und bat uns, wir möchten draußen bleiben. Wir gingen wieder ins Wohnzimmer, und Phil brachte Morgan mit.
»Hören Sie mal, Morgan«, sagte ich und deutete auf das Kokainbriefchen, das Phil noch immer in der Hand hielt. »Sie werden uns über das da Rechenschaft ablegen müssen.«
Er runzelte die Stirn.
»Ich? Ja,
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