012 - Das Schloß des Schreckens
Gebäudetrakt dort«, sagte der Professor, als sie im Innenhof der Festung standen. »Dort sind meine Behandlungsräume.«
»Ich dachte, Sie praktizieren schon lange nicht mehr«, sagte Frankie DeWitt.
Der Professor kicherte hoch und dünn.
»Es gibt noch genügend Leute, bei denen ich einen guten Namen habe. Malveillance ist bekannt, wenn auch sein Name auf den medizinischen Fachkongressen in Boston, Paris und Amsterdam nicht mehr erwähnt wird — oder nur im Spott. — Seit ich damals den Vater des heutigen Königs Hassan nach einem Attentat durch eine gewagte Gehirnoperation rettete, ist dieses Land die letzte Zuflucht für mich. — Doch es gibt immer noch Menschen, die mich in meinem Bergschloss aufsuchen, weil sie meinen Rat oder meine Hilfe brauchen.«
Dean Warren und Frankie DeWitt trugen die bewusstlose Glorya Glanton durch ein dunkles, gruftartiges Gewölbe in einen hellen Operationsraum. Dean Warren war überrascht. Hier gab es alles, vom Herzschrittmacher bis zum Sauerstoffzelt. Ein antiseptischer Raum, blitzend vor Sauberkeit. Kunststoffboden, OP-Tisch, Lampen, chirurgische Instrumente, Narkosegeräte, alles wie in einer modernst eingerichtete Klinik.
»Was glauben Sie denn, wo ich operiere, auf dem Küchentisch? Jeder Künstler braucht das beste Handwerkszeug — und ich, Philippe Louis Malveillance, bin ein Künstler und ein Meister meines Faches.«
Der Professor läutete. Er sprach ein paar Worte, in einer Dean Warren unbekannten Sprache, in die Sprechanlage. Kurze Zeit später öffnete sich die Tür. Ein dunkelhaariges .hübsches Mädchen kam herein. Ein großer vierschrötiger Mann mit grobem, zerfurchtem Gesicht folgte ihr.
La belle et la bête, ging es Dean Warren durch den Kopf. Er sah in die Augen des vierschrötigen Mannes und erschauerte. Diese Augen waren stumpf, leer und tot, ohne jedes Gefühl und jede menschliche Regung. Doch tief in ihnen schien etwas zu sein, etwas Dunkles, Schwarzes, schwärzer noch als die Pupille...
Dean Warren wandte sich ab.
»Wer sind diese Leute?« fragte er schärfer als nötig.
»Die Dame ist Elvira Saba, die Tochter meines alten Freundes Didier Saba, eines Studienkollegen von der Sorbonne. Sie ist meine Assistentin. — Der Mann hinter ihr ist Gabriél, mein Helfer. Ich weiß, er sieht aus wie ein Unmensch, aber er ist voller Seele und Gemüt, und er hat die geschicktesten Hände, die Sie sich vorstellen können.«
Wieder kicherte der bucklige Professor hoch und schrill. Ein Schauder lief Dean Warren über den Rücken. Am liebsten hätte er die bewusstlose Glorya Glanton wieder mitgenommen. Doch wo sonst fand er eine solche Kapazität wie Malveillance?
»Und jetzt verlassen Sie den Raum, alle beide«, sagte der Professor streng. »Wir müssen Miß Glanton gründlich untersuchen. Hirnströme messen, röntgen und so weiter. Dabei kann ich keine Störung gebrauchen. — Vielleicht ist eine Operation notwendig, aber Sie können ganz beruhigt sein: Die Behandlung, die sie hier erhält, bekommt Miß Glanton auf der ganzen Welt nicht wieder.«
War es Hohn, was Professor Malveillances Gesicht prägte? Dean Warren und Frankie De Witt verließen den Raum. In der Tür drehte Dean Warren sich um und sagte: »Ich warte draußen. Geben Sie mir Bescheid, sobald Sie Genaueres über Art und Schwere von Miß Glantons Verletzungen wissen, Professor.« Elvira Saba stand vor dem reglosen Körper auf der Bahre. Voller Mitleid sah sie auf die bewusstlose Schauspielerin nieder.
Draußen auf dem Hof steckten Dean Warren und Frankie De Witt sich Zigaretten an. Der schwarzlockige Schauspieler mit dem markanten Gesicht, das Millionen Frauen und Mädchen anhimmelten, schaute sich um. Die Mauern und Gebäude der Maurenfestung waren ausgebessert worden. In einem der Türme war eine Funkstation errichtet. Einige neue Gebäude schlossen sich an die alten Gemäuer an.
»Das ist die kurioseste Kreuzung zwischen altem Schloss und Klinik, die ich je gesehen habe«, sagte DeWitt. »Was halten Sie davon, Dean?«
DeWitt war kein Freund von Förmlichkeiten.
»Mir gefällt vieles nicht«, antwortete Dean Warren halblaut. »Wissen Sie, was Malveillance übersetzt heißt?«
»Keine Ahnung. Mein Französisch beschränkt sich auf .garçon’, .mademoiselle’, ,lit’ und ,l’amour’.«
Er lachte laut und herzlich.
»Malveillance heißt Böswilligkeit, Bösartigkeit«, sagte Dean Warren leise, »und ich werde das Gefühl nicht los, dass der Name genau auf den buckligen Professor
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