012 - Das Schloß des Schreckens
nicht.
Professor Malveillance wartete im Operationssaal auf seinen Abtransport. Zwei Polizeibeamte bewachten ihn. Zudem war er an den schweren Operationstisch angeschlossen.
»Der Ghul kann nur in der unterirdischen Gruft sein«, sagte Dean Warren, als sie sich nach der erfolglosen Suche im Burghof versammelt hatten. »Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
Fünf Männer stiegen hinab in die unterirdischen Gewölbe. Diesmal war die schwere Eisentür nicht verschlossen, die bei der sechzehn Tage zurückliegenden Razzia Kemal Beyzaks den letzten Raum versperrt hatte.
Die rostigen Scharniere quietschten. Im Schein der Taschenlampen sahen die fünf Männer einen Skelettfriedhof. Knochen in allen Stadien der Verwesung, die Überbleibsel der in vielen Jahrhunderten dem Ghul zum Opfer gefallenen Unglücklichen. Auch Leichen aus neuerer Zeit lagen in dem großen Felsengewölbe, von dessen Decke mächtige Stalaktiten herabhingen.
Bei der überraschenden Übernahme der Burg vor zehn Tagen hatten Dean Warren und Kemal Beyzak einen Blick in das Schädelgewölbe geworfen und sich schaudernd wieder abgewandt. Seitdem hatte niemand die Felsenhöhle des Ghuls betreten.
» hat Grenzen seiner Fähigkeiten«, sagte Dean Warren. »Durch einen ganzen Berg kann er nicht hindurchgehen. Durch dicke Mauern allerdings. — Irgendwo hier muss er sein. Er darf uns nicht entkommen.«
Ein starker Verwesungsgeruch erfüllte die Gruft und machte das Atmen schwer. Irgendwo fiel in regelmäßigen Zeitabständen ein Wassertropfen von der Decke.
Die fünf Männer verteilten sich, suchten die unterirdische Felsenhöhle ab.
»Hier steht ein Sarkophag in einer Nische«, rief einer der Polizisten. Hohl hallte seine Stimme durch das Gewölbe.
Die anderen gingen zu ihm hinüber. In einem prächtigen, kristallenen Sarkophag lag ein Skelett. Die linke Knochenhand fehlte.
»Diese Schriftzeichen«, flüsterte Kemal Beyzak. Er wagte es nicht, laut zu reden, um den Grässlichen nicht zu wecken. »In einem Museum sah ich sie schon einmal. Das ist Altphönizisch. — Sie zu entziffern würde bestimmt eines der schrecklichsten Rätsel der Vergangenheit lösen.«
»Das ist nicht unsere Aufgabe«, antwortete Dean Warren. »Wir müssen den Ghul vernichten.«
Mit dem Dolch des Cid trennte er den Totenschädel von den Knochen des Rumpfes. Er schlug dem Skelett die Hand und die Füße ab, holte die vorher abgeschlagene linke Hand aus einem kleinen Beutel und legte alles in den vier Himmelsrichtungen rund um den Ghul.
Ein Donnern und Brausen erfüllte das Gewölbe. Der Boden erbebte, und das ganze Schloss erzitterte in seinen Grundfesten. Ein teuflisches Gelächter hallte durch das unterirdische Gewölbe, so scheußlich und furchtbar, dass den fünf Männern sich die Nackenhaare sträubten. Das Gelächter ging in ein klagendes Jammern über, wie das einer verlorenen Seele in der tiefsten Hölle. Ein leises Winseln. Stille. Totenstille. Vor den Augen der Männer zerbröckelte das Skelett zu Staub.
» ist nicht mehr«, sagte Kemal Beyzak leise.
»Da bin ich nicht sicher«, erwiderte Dean Warren. »Mir gefällt es nicht, dass der Ghul sich nicht wehrte und keine Flucht versuchte. — Fast glaube ich, dass der dämonische Spuk noch nicht zu Ende ist.«
Professor Malveillance wurde irrsinnig. Sein genialer Geist, von jeher an der Schwelle des Wahnsinns, trat hinüber auf das dunkle Ufer jenseits der lichten, klaren Gefilde des Verstandes. Er tobte, kreischte und spuckte, wenn ihm Fragen gestellt wurden. Von ihm war nichts zu erfahren.
Dean Warren und Elvira Saba verließen Tanger. Sie flogen nach Sevilla und suchten noch einmal den Professor Miguel Salvador auf. Der war bestürzt, als er vom Ende des Ghuls hörte.
»Es ist möglich, dass in den letzten Minuten seiner Existenz; seine dämonischen Fähigkeiten und sein teuflisches Wesen für immer in das unglückliche Geschöpf übertragen hat, über das er am längsten Gewalt hatte.«
Dean Warren presste die Lippen zusammen. Er wusste, wer das erste Opfer Professor Malveillances und des Ghuls gewesen war. Er hatte Elvira Saba gern, doch so wie Glorya Glanton liebte er sie nicht. Sollte die unglückliche Schauspielerin wirklich zu Shochor-al-Ghiras Reinkarnation geworden sein?
Elvira Saba blieb in Sevilla zurück. Dean Warren flog in die Staaten. Vom Flughafen aus fuhr er direkt zur Villa Glorya Glantons. Er trug den Dolch des Cid bei sich und einen Behälter mit einer Flüssigkeit, die Professor Salvador
Weitere Kostenlose Bücher